Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
§ 10 ErbStG legt die Regelungen fest, nach denen der steuerpflichtige Erwerb zu ermitteln ist. Die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs ergibt sich nach folgender Reihenfolge:
- Einzelbewertung der übertragenen Vermögensgegenstände nach § 12 ErbStG.
- Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Steuerbefreiungen.
- Steuererstattungsansprüche des Erblassers, wenn sie rechtlich entstanden sind.
- Berücksichtigung der abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten.
- Abrundung auf volle 100 EUR.
3.1 Übernahme der Steuer durch einen anderen
Ist die entstehende Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht vom Erwerber, sondern von einem Dritten zu entrichten, gehört die von dem anderen übernommene Steuer mit zu dem steuerpflichtigen Erwerb.
In manchen Fällen kann es zu ganz überraschenden Ergebnissen führen, wenn der Schenker selbst die Schenkungsteuer übernimmt oder einem Dritten die Erbschaftsteuer auferlegt. In diesem Fall erhöht die übernommene Schenkungsteuer die Bemessungsgrundlage für die Schenkung. Hierbei würde sich eine höhere Steuer ergeben, die – da ja der Schenker die Steuer tragen soll – wiederum die Steuer erhöhen würde. Um dieses Problem zu lösen, regelt § 10 Abs. 2 ErbStG, dass als Erwerb der Betrag der eigentlichen Zuwendung zuzüglich der hieraus ermittelten Steuer gilt. Eine weitere Neuberechnung erfolgt nicht.
Besteuerung bei Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker
Unternehmer U schenkt seiner Freundin (Steuerklasse III) Barvermögen im Wert von 500.000 EUR.
"Normale Schenkung" |
|
steuerpflichtiger Erwerb |
500.000 EUR |
persönlicher Freibetrag der Steuerklasse III, § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG |
./. 20.000 EUR |
= verbleiben |
480.000 EUR |
x Steuersatz |
30 % |
Erbschaftsteuer |
144.000 EUR |
verbleibender Betrag (= Bereicherung nach Steuer) |
356.000 EUR |
Theoretisch hätte der Schenker auch nur einen Betrag i. H. v. 356.000 EUR schenken können, wenn er die entstehende Schenkungsteuer übernehmen würde. Wenn er seiner Freundin von vornherein nur 356.000 EUR schenkt und die Schenkungsteuer übernimmt, ergibt sich folgende Belastung:
steuerpflichtiger Erwerb |
356.000 EUR |
persönlicher Freibetrag der Steuerklasse III |
./. 20.000 EUR |
= verbleiben |
336.000 EUR |
x Steuersatz |
30 % |
Erbschaftsteuer |
100.800 EUR |
endgültiger steuerpflichtiger Erwerb (356.000 EUR + 100.800 EUR) |
456.800 EUR |
persönlicher Freibetrag der Steuerklasse III |
./. 20.000 EUR |
= verbleiben |
436.800 EUR |
x Steuersatz |
30 % |
Erbschaftsteuer |
131.040 EUR |
In beiden Fällen ergibt sich eine Bereicherung der Beschenkten nach Steuer i. H. v. 356.000 EUR. Während aber ohne Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker eine Steuer von 144.000 EUR entsteht, ergibt sich bei Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker nur eine Steuerbelastung von 131.040 EUR. Es ergibt sich eine Steuerersparnis i. H. v. 12.960 EUR, ohne dass ein Beteiligter schlechter gestellt ist.
3.2 Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit
Grundsätzlich erlöschen zivilrechtlich gegenseitige Rechte und Verbindlichkeiten/Belastungen, wenn sie in einer Person zusammenfallen. § 10 Abs. 3 ErbStG bestimmt hingegen, dass solche erloschenen Ansprüche erbschaftsteuerrechtlich nicht als erloschen gelten. Damit wird gewährleistet, dass eine wirtschaftliche Bereicherung auch tatsächlich der Besteuerung unterliegt.
Besteuerung bei Vereinigung von Schuld und Forderung
Erblasser E hat eine Forderung gegen seinen Sohn S i. H. v. 100.000 EUR. S ist der Alleinerbe nach seinem Vater.
Beim Tod des E erlöschen die gegenseitigen Ansprüche. Erbschaftsteuerrechtlich gelten sie aber nicht als erloschen, sodass in den steuerpflichtigen Erwerb des S auch die Bereicherung von 100.000 EUR (er muss die Verbindlichkeit nicht zurückzahlen) mit einzubeziehen ist.
3.3 Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten
Nachlassverbindlichkeiten nur bei Erwerben von Todes wegen
Das Gesetz regelt lediglich den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten – dies setzt also einen "Nachlass" voraus. Die Berücksichtigung von übernommenen Schulden oder Lasten bei einer Schenkung ist erbschaftsteuerrechtlich nicht geregelt. Die Berücksichtigung solcher Belastungen muss deshalb direkt über die Ermittlung der Bereicherung als solche erfolgen, vgl. dazu auch Tz. 9. "gemischte Schenkung".
Nach § 10 Abs. 5 ErbStG sind die Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Als Nachlassverbindlichkeiten sind abzugsfähig:
- alle vom Erblasser herrührenden Schulden,
- Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen oder geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen,
- Kosten der Bestattung des Erblassers, für ein angemessenes Grabdenkmal und der Grabpflegekosten sowie Kosten, die mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses im Zusammenhang stehen. Für diese Aufwendungen wird ein Betrag von 10.300 EUR abgezogen, wenn der Erwerber nicht einen höheren Betrag nachweist.
Jährliche Grabpflegekosten sind mit 9,3 zu multiplizieren
Für die Grabpflegekosten wird der Vervielfältiger für eine Laufzeit von ungewisser Dauer nach § 13 Abs. 2 BewG i. H. v. 9,3 angesetzt. Um auf den abzugsfähigen Betrag zu kommen, ...