Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Bewertungsgegenstand nach § 2 Abs. 1 BewG ist grundsätzlich die sog. wirtschaftliche Einheit. Da es an einer präzisen gesetzlichen Abgrenzung des Begriffs der wirtschaftlichen Einheit fehlt, kann eine Abgrenzung nur über die Umschreibung des § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BewG erfolgen. Hierbei ist insbesondere auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Zu berücksichtigen sind auch die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter.
Kleinste Einheit, die im Bewertungsrecht zu bewerten ist, ist das Wirtschaftsgut. Da der Begriff im Gesetz nicht definiert ist, muss auf die allgemeinen, in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Begriff des Wirtschaftsguts zurückgegriffen werden.
Mehrere Wirtschaftsgüter können zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Nach der Verkehrsanschauung müssen die Wirtschaftsgüter eine wirtschaftliche Einheit bilden;
- die Wirtschaftsgüter müssen demselben Eigentümer gehören.;
- die Wirtschaftsgüter müssen der gleichen Vermögensart angehören und
- es darf keine Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter vorgeschrieben sein.
Keine Zurechnung zum Betriebsvermögen bei unterschiedlichen Eigentümern
Die einzelnen Wirtschaftsgüter eines Betriebs sind – soweit einheitliches Eigentum vorliegt – zu der wirtschaftlichen Einheit Gewerbebetrieb zusammenzufassen. Soweit aber der Gegenstand einer anderen Person zuzurechnen ist, kann eine Einbeziehung in die wirtschaftliche Einheit des Gewerbebetriebs nicht erfolgen.
Der Umfang des Betriebsvermögens im bewertungsrechtlichen Sinn wird grundsätzlich über § 95 BewG geregelt. Zum Betriebsvermögen gehören alle Teile eines Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Bewertungsgegenstand ist somit der Gewerbebetrieb. Er stellt die wirtschaftliche Einheit nach § 2 BewG dar. Gehören einem Steuerpflichtigen mehrere Gewerbebetriebe, ist für jeden dieser Gewerbebetriebe ein gesonderter Wert festzustellen. Zur Abgrenzung des Begriffs Gewerbebetrieb ist auf die ertragsteuerlichen Merkmale zurückzugreifen.
Eine Ausnahme ergibt sich lediglich über § 96 BewG. Die Ausübung eines freien Berufs wird im Bewertungsrecht wie ein Gewerbebetrieb behandelt. Damit hat auch der Freiberufler bewertungsrechtlich einen "Gewerbebetrieb". Bewertungsrechtlich besteht somit kein Unterschied, unter welche ertragsteuerrechtliche Einkunftsart eine wirtschaftliche Tätigkeit zu subsumieren ist.
Für Betriebsvermögen von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen gilt § 97 BewG, der eine Aufzählung dieser als Gewerbebetrieb geltenden Betriebsvermögen enthält. Dabei gehören alle Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen, die auch bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Bei Personengesellschaften werden bewertungsrechtlich wie bei der ertragsteuerlichen Regelung in die Bewertung einbezogen:
- alle Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie Schulden und sonstige Abzüge, soweit sie zum Gesamthandsvermögen gehören,
- die Bilanzansätze aus etwaigen Ergänzungsbilanzen,
- die Wirtschaftsgüter aus den Sonderbilanzen (Sonderbetriebsvermögen I und II).
Keine Einzelbewertung der Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens
Diese Definition bedeutet nicht, dass alle diese Teile im Rahmen einer Einzelbewertung in den festzustellenden gemeinen Wert mit einfließen. Bei dieser Definition geht es nur darum, welche Vermögensteile durch den später festzustellenden Wert abgedeckt sind.