In einem Grundbeispiel soll die erhöhte steuerliche Belastung, welche durch den mehrfachen Übergang desselben Vermögens ausgelöst wird, deutlich gemacht werden. Dies soll zunächst ohne Anwendung des § 27 ErbStG geschehen.

 
Praxis-Beispiel

Keine Anwendung des § 27 ErbStG

Großvater G verstirbt am 1.09.2015 und hinterlässt ein Vermögen in Höhe von 1.300.000 EUR. Zur Alleinerbin hat G seine mittellose Tochter T eingesetzt. Am 30.10.2023 verstirbt die Tochter an den Folgen eines Verkehrsunfalls. T hat testamentarisch bestimmt, dass ihr Sohn S Alleinerbe werden soll. Aus Vereinfachungsgründen soll angenommen werden, dass der Kapitalwert der Versorgungsbezüge höher ist als der Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 2 ErbStG.

Aus dem Erbfall von G in 2017 ergibt sich für T folgende Steuer:

 
Vermögensanfall 1.300.000 EUR
Abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb 889.700 EUR

Hieraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 19 % (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 2 ErbStG, § 19 Abs. 1 ErbStG) eine Erbschaftsteuer in Höhe von 169.043 EUR.

Der zweite Erbfall in 2023 (Tochter T):

 
Vermögensanfall (1.300.000 EUR ./. durch T entrichtete Erbschaftsteuer 169.043 EUR) 1.130.957 EUR
Abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (nach Abrundung) 720.600 EUR

Hieraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 19 % (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 2 ErbStG, § 19 Abs. 1 ErbStG) eine Erbschaftsteuer in Höhe von 136.914 EUR.

Die erbschaftsteuerliche Belastung in Höhe von 305.957 EUR (169.043 EUR + 136.914 EUR) mindert das Vermögen durch den kurzfristigen zweimaligen Vermögensübergang auf 994.043 EUR (1.300.000 EUR ./. 305.957 EUR).

Hätte Großvater G seinem Enkel (S) das Vermögen direkt vermacht, würde sich die folgende steuerliche Belastung ergeben:

 
Vermögensanfall 1.300.000 EUR
Abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) ./. 200.000 EUR
Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb 1.089.700 EUR

Hieraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 19 % (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 3 ErbStG, § 19 Abs. 1 ErbStG) eine Erbschaftsteuer in Höhe von 207.043 EUR.

Es zeigt sich deutlich, dass der zweimalige Vermögensübergang eine höhere steuerliche Belastung hervorruft, als der einmalige.

Lösung unter Anwendung des § 27 ErbStG

Unter Anwendung des § 27 ErbStG ergibt sich die folgende Steuer:

 
Erbschaftsteuer für den Erbfall von T an S (Berechnung siehe oben) 136.914 EUR
Der Vomhundertsatz nach § 27 Abs. 1 ErbStG beträgt 45 % (Zeitraum zwischen Vor- und Letzterwerb beträgt mehr als 4 Jahre aber nicht mehr als 5 Jahre)  
30 % von 136.914 EUR = 41.074 EUR  
Überprüfung der Begrenzung durch § 27 Abs. 3 ErbStG:  
30 % von 169.043 EUR = 50.712 EUR  
Dieser Wert wird durch die Steuer auf das begünstigte Vermögen des Letzterwerbs nicht überschritten  
Ermäßigungsbetrag somit ./. 41.074 EUR
Endgültige festzusetzende Erbschaftsteuer 95.840 EUR

Die gesamte erbschaftsteuerliche Belastung für beide Vermögensübergänge unter Berücksichtigung der Steuerermäßigung beläuft sich damit auf 264.880 EUR (169.043 EUR + 95.840 EUR) und ist damit um 41.077 EUR geringer (305.957 EUR ./. 264.880 EUR) als ohne die Vorschrift des § 27 ErbStG.

Gegenüber dem einmaligen Vermögensübergang wird aber auch deutlich, dass § 27 ErbStG keine vollständige Entlastung schafft.

Denn die Erbschaftsteuer in der vorherigen Lösung beträgt bei der einmaligen Übertragung vom Großvater an den Enkel 207.043 EUR, während unter Anwendung des § 27 ErbStG eine Steuer von 264.880 EUR entsteht.

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