[Ohne Titel]
Dipl. Finw. StB Gerhard Bruschke, Möhnesee
Die Frage, wie Instandhaltungsrücklagen (Erhaltungsrücklagen) nach dem WEG (v. 12.1.2021, BGBl. I 2021, 34.) bei der Grunderwerbsteuer zu behandeln sind, ist nicht eindeutig und sicher zu beantworten. Bedingt durch eine Neufassung des WEG hat sich zumindest nach Ansicht des BFH und der Kommentarliteratur eine wesentliche Änderung in der steuerlichen Beurteilung ergeben. War es in der Vergangenheit eigentlich unstreitig, dass die Erhaltungsrücklage nicht zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehörte, ist dies inzwischen nicht mehr der Fall. Allerdings sind an der neuen Auffassung durchaus Zweifel angebracht, die nicht zuletzt auch durch die ertragsteuerliche Behandlung der Erhaltungsrücklage genährt werden.
1. Einführung
Die Grunderwerbsteuer richtet sich gem. § 8 Abs. 1 GrEStG grundsätzlich nach der Gegenleistung, die ein Erwerber für den Erwerb eines inländischen Grundstückes aufbringen muss. Als Gegenleistung kommen dabei Leistungen jeder Art in Betracht. Hierzu gehören neben Geldleistungen auch sonstige Leistungen, die in unterschiedlichsten Variationen auftauchen können. Gerade bei Eigentumswohnungen umfasst der Kaufpreis regelmäßig auch die sog. Erhaltungsrücklage, aus der im Laufe der Zeit Reparaturen und Modernisierungen des Gesamtgebäudes getragen werden. Diese Erhaltungsrücklagen werden durch regelmäßige Zahlungen der Wohnungseigentümer gespeist (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG).
Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (BFH v. 25.4.2018 – II R 50/15, BStBl. II 2018, 602 = ErbStB 2018, 293 [Günther]).
2. Bisherige Rechtslage
In seinem Urteil vom 9.10.1991 hatte der BFH noch ausgeführt, dass das Guthaben aus der Erhaltungsrückstellung nach dem WEG eine mit einer Geldforderung vergleichbare Vermögensposition darstellt (BFH v. 9.10.1991 – II R 20/89, BStBl. II 1992, 152). Es handele sich wirtschaftlich um Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer auf zukünftige Instandhaltungsaufwendungen. Diese können deshalb verlangen, dass Aufwendungen für Instandsetzungen am Gemeinschaftseigentum zunächst aus der Rücklage bezahlt werden. Die insoweit bestehenden Ansprüche der Wohnungseigentümer seien zwar zweckgebunden und für die einzelnen Wohnungseigentümer nicht frei verfügbar. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass die in der Rückstellung angesammelten Mittel den einzelnen Wohnungseigentümern ihrem Anteil entsprechend im Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht aus § 16 Abs. 2 WEG a.F. unmittelbar zugutekommen.
Dies gelte uneingeschränkt beim entgeltlichen Erwerb einer Eigentumswohnung. Denn der Erwerber einer Eigentumswohnung kann im Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht wegen Instandhaltungsmaßnahmen zu seiner Entlastung die Verwendung der in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel verlangen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt der Aufwand des Erwerbers für die Übernahme einer Erhaltungsrückstellung nicht Entgelt für den Erwerb der Eigentumswohnung selbst, sondern Entgelt zur Erlangung eines möglicherweise erst zukünftig entstehenden geldwerten Anspruchs auf Bezahlung von Instandhaltungsaufwendungen aus der Rückstellung dar.
Der Erwerb eines solchen Anspruches sei nicht grunderwerbsteuerpflichtig, und zwar unabhängig von der zivilrechtlichen Vorfrage, ob es sich bei den Guthaben aus der Erhaltungsrückstellung um selbständige, vom Wohnungseigentum loslösbare Forderungsrechte oder um untrennbare Bestandteile der jeweiligen Wohnungseigentumsrechte handelt und diese deshalb an die Unauflösbarkeit der Gemeinschaft gebundene Vermögensbestandteile darstellen, die nicht als eigene Guthaben der Wohnungseigentümer anzusehen sind.
Aufgrund dieser Rspr. wurde die mit dem Kauf der Eigentumswohnung übernommene Erhaltungsrücklage aus der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage herausgenommen, was je nach Höhe der Rücklage eine mehr oder weniger deutliche Verringerung der Steuerschuld zur Folge hatte. Die Verwaltung hat die Rspr. übernommen (vgl. z.B. OFD NRW v. 10.12.2013, GrESt-Kartei NW § 9 GrEStG Karte 27) und in der Folge auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Erhaltungsrücklage als eigenständige Kapitalforderung angesetzt (vgl. z.B. OFD Frankfurt/M. v. 9.6.2020 – S 3800 A-036-St 710, FMNR336310020, juris = ErbStB 2020, 353 [Günther]).
3. Neue Rechtslage
Entgegen der vorstehende dargestellten früheren Betrachtung nach der die Erhaltungsrücklage kein Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung ist, hat der BFH mit Urteil vom 16.9.2020 entschieden, dass beim Erwerb von Teileigentum der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Erhaltungsrücklage zu mindern ist (BFH v. 16.9.2020 – II R 49/17, BSt...