Leitsatz
1. Eine Zollpräferenzbehandlung im Rahmen eines Zollkontingents ist erst dann i.S.d. Art. 869 Buchst. a ZKDVO gewährt worden, wenn der Zollschuldner von der das Zollkontingent überwachenden Stelle eine Anrechnungsmitteilung erhalten hat.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die das HZA verpflichten, die Sache der Kommission der EG zur Beurteilung eines Erlassantrags vorzulegen, ist nicht nur das Verhalten der Importeure, sondern auch das Mitwirken der Gemeinschaftsorgane bei dem betreffenden Sachverhalt zu berücksichtigen.
3. Für die Annahme von Zweifeln i.S.v. Art. 905 ZKDVO reicht es aus, wenn hinreichend dargetan ist, dass ein Gemeinschaftsakt eine Vielzahl von Importeuren – hier wohl zumindest sämtliche Einführer aus Deutschland – von vornherein von der Gewährung einer Zollbegünstigung ausschließt, weil damit der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt sein kann.
Normenkette
Art. 20 ZK , Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK , Art. 236 Abs. 1 ZK , Art. 239 Abs. 1 ZK , Art. 869 Buchst. a ZKDV , Art. 905 Abs. 1 ZKDV
Sachverhalt
Ein Importeur wollte Waren ab September zollbegünstigt im Rahmen eines Kontingents einführen. Die Ware wurde von der Zollstelle zunächst entsprechend abgefertigt. Nach einem Erlass des BMF sollte nämlich ein solches Zollkontingent am 1.9. eröffnet werden. Am 4.10. teilte jedoch das BMF mit, dass das Kontingent aufgrund einer Entscheidung der Kommission rückwirkend bereits zum 1.7.1995 eröffnet worden sei. Das fragliche Zollkontingent war durch entsprechende Einfuhren ausländischer Importeure bereits vor dem 1.9.1995 erschöpft worden.
Das HZA erhob für die Einfuhren Zoll nach dem normalen Satz nach. Die Klägerin beantragte ohne Erfolg den Erlass der nacherhobenen Abgaben.
Entscheidung
Der BFH hat einen aktiven Irrtum der Zollbehörde und die Anwendbarkeit des Art. 869 ZKDV verneint, jedoch besondere Umstände i.S.d. Art. 905 ZKDV bejaht. Ein Zollschuldner, der Einfuhrwaren zum Kontingentzollsatz anmeldet, müsse zwar damit rechnen, dass die Waren nicht auf das Kontingent angerechnet werden können, weil dieses bereits erschöpft ist; er muss auch nach längerer Zeit eine Nacherhebung hinnehmen.
Die hier zugrunde liegenden Präferenzregelungen seien jedoch widersprüchlich gewesen. Die deutsche Zollverwaltung habe den Widerspruch in der Weise aufgelöst, dass sie Präferenz-Zollanmeldungen erst ab 1.9.1995 angenommen habe. Demgegenüber hätten andere Mitgliedstaaten die betreffenden Regelungen dahin interpretiert, dass sie einen wesentlich früheren Zeitpunkt zugrunde gelegt und dadurch das Zollkontingent ausgeschöpft hätten, bevor die Deutschen überhaupt zum Zug kamen.
Dies begründe zumindest Zweifel daran, ob hierin nicht besondere Umstände liegen, die den Erlass des Zolls rechtfertigen können. Ein vom Kontingent ausgeschlossener Marktteilnehmer habe nämlich keine Möglichkeit, um einer vorzeitigen rechtswidrigen Kontingentsverteilung wirksam zu begegnen.
Beachten Sie das Pikante dieser Entscheidung: Der BFH hält es für möglich, dass die Gemeinschaft (jedenfalls zunächst) die Folgen des rechtswidrigen Verhaltens von Mitgliedstaaten bei der Verwaltung eines Kontingents tragen muss, wobei die Gemeinschaft das Kontingent allerdings durch einen Rechtsakt eröffnet hatte, dessen Fassung hinsichtlich des Zeitpunkts der Eröffnung einige Rätsel aufgab.
Hinweis
1. Unterscheiden Sie bei den Zollbegünstigungen, die vielfach bei der Überführung von Waren in den freien Verkehr der Gemeinschaft im Gemeinschaftsrecht unter der Voraussetzung einer bestimmten regionalen Herkunft der Ware ("präferenzieller Ursprung") oder eines bestimmten Verwendungszwecks der Einfuhrwaren vorgesehen sind, Zollkontingente und Zollplafonds. Bei ersteren muss geregelt werden, wie das Kontingent unter den Einfuhrwilligen verteilt wird.
Allgemeine Regeln hierzu enthält die EGV Nr. 520/94 zur Festlegung eines Verfahrens der gemeinschaftlichen Verwaltung mengenmäßiger Kontingente (ABl.EG 1994 Nr. L 66, 1). Bei der üblichen Verwaltung der Kontingente im "Windhundverfahren" setzt die zollbegünstigte Einfuhr voraus, dass das Kontingent im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung nicht bereits erschöpft ist. Davon hat die abfertigende Zollstelle im Regelfall keine Kenntnis.
Die Ware wird deshalb im Allgemeinen mit dem Hinweis abgefertigt, dass die Anwendung des Präferenzzollsatzes noch nicht feststehe. Anschließend meldet die Zollstelle die beanspruchten Mengen über die in den Mitgliedstaaten bestehenden Zentralstellen an die Europäische Kommission, die die Kontingente zentral verwaltet.
Der Zollschuldner erhält später von der das Zollkontingent überwachenden Stelle (ggf. über die Zollstelle) eine Mitteilung über die Anrechnung seiner Ware auf das Kontingent. Erst dann kann er davon ausgehen, dass der sog. Ziehungsantrag des Mitgliedstaats bei der Kommission erfolgreich war (vgl. Art. 308 a Abs. 4 ZKDVO).
2. Beachten Sie, dass der Erlass von Zoll sich ausschließlich nach dem ZK richtet, nämlich nach Art. 236 Abs...