Leitsatz
Erworbene Rechte auf den Bezug junger Aktien sind keine Anteile an einer Aktiengesellschaft im Sinne des § 3 Nr. 40j EStG, so dass die Erlöse aus deren Verkauf nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. Daran ändert auch nichts die Vorschrift des § 17 EStG, wonach auch Anwartschaften auf Beteiligungen zu den von dieser Vorschrift erfassten Veräußerungsvorgängen gehören.
Sachverhalt
Ein Steuerpflichtiger erwarb und veräußerte innerhalb der Behaltensfrist für private Veräußerungsgeschäfte eine kleinere Anzahl von Aktien einer ausländischen Aktiengesellschaft. 10 Monate nach dem Erwerb wurde ihm je gehaltene Aktie ein Recht zum Bezug junger Aktien entgeltlich angeboten. Den rechnerischen Werter gab die Bank mit 2,92 Einheiten der ausländischen Währung bekannt. Einen Monat später trennte sich der Kläger von seinen Bezugsrechten und erlöste damit 669,21 EUR. Eine Woche später veräußerte der Kläger sämtliche Aktien mit Verlust und erzielte einen Verkaufserlös von 816,50 EUR. Das Finanzamt unterwarf alle Veräußerungsvorgänge einheitlich dem Halbeinkünfteverfahren und erkannte den Verlust nur zur Hälfte an. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, dass das Halbeinkünfteverfahren für den Verkauf der Bezugsrechte nicht gelte, so dass insofern der volle Verlust anzuerkennen sei.
Entscheidung
Das niedersächsische Finanzgericht gab dem Kläger Recht. Es geht zunächst davon aus, dass im Halbeinkünfteverfahren nur Veräußerungserlöse in Bezug auf Gesellschaften gehören, deren Ausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern sind. Der Gesetzeswortlaut spricht jedoch nur von einem Anteil an Kapitalgesellschaften, während das Bezugsrecht demgegenüber den Mitgliedschaftsrechten des Aktionärs zuzurechnen ist. Nach Beschluss der Hauptversammlung konkretisiert sich dieses Recht zum Anwartschaftsrecht. Es ist damit selbstständig bewertbar und umlauffähig. Ein Anteil hingegen ist dadurch definiert, dass Kapital gegen Rechte an einer Kapitalgesellschaft überlassen wird. Dies ist beim Bezugsrecht als derivatives Recht nicht der Fall. In § 17 EStG werden bei Beteiligungen von mehr als 1% auch die Veräußerungserlöse aus Anwartschaften aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften der Besteuerung unterworfen. Obwohl der Gesetzgeber in dieser Vorschrift eine Legaldefinition des Begriffs Anteile an einer Kapitalgesellschaft liefert, sieht das Gericht keine Geltung im Hinblick auf die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach dem Halbeinkünfteverfahren. Das Gericht hat jedoch wegen grundsätzlich Bedeutung der Sache und ein möglicherweise entgegenstehendes Urteil des BFH vom 21.01.1999 (IV R 27/97, BStBl 1999 II S. 638) die Revision zugelassen, über die der BFH bereits mit Urteil vom 27.10.2005 (Az. IX R 15/05) zu Gunsten des Finanzamtes entschieden hat.
Hinweis
Das Urteil scheint gut begründet, weil der Gesetzgeber tatsächlich in § 17 EStG einerseits die Anwartschaften auf Anteile an Kapitalgesellschaften aufgenommen hat und andererseits bei § 3c Abs. 1 Nr. 2 EStG nur von Anteilen an Kapitalgesellschaften spricht. Während der Wortlaut also für die Auslegung des Gerichts spricht, vermag die zusätzliche systematische Begründung der Finanzrichter nicht überzeugen: Sie argumentieren, dass das Bezugsrecht gerade keiner Totalausschüttung der Anteil gleich kommt. Nur aus diesem Grund seien die Erlöse in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a-c und j EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen. Insgesamt betrachtet, sollen die Gewinne der Körperschaft nur einmal versteuert werden. Im Wert des Bezugsrechts sind nach Ansicht des Gerichts gerade in den Werten selbst entsprechende Vorbelastungen enthalten, insbesondere ist kein definitiver Körperschaftsteuersatz angewandt worden. Nur im Klagefall nimmt sich diese Sichtweise für die Steuerbürger positiv aus, weil die Verluste im Rahmen der privaten Veräußerungsgeschäfte zu 100% und nicht nur zu 50% anerkannt wurden. Im Normalfall allerdings kehrt sich der Vorteil um, wenn nämlich die Anwartschaftsrechte mit Gewinn innerhalb der Behaltensfrist veräußert werden. Aus systematischen Gründen spricht gegen die Auffassung des Finanzgerichts, dass in § 17 EStG die Wesentlichkeitsgrenze von 10 auf 1% im Zuge der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens gesenkt wurde. Als Grund wurde hierbei angeführt, dass ansonsten Umgehungsgestaltungen zum Zuge gekommen wären. Auch in dieser Hinsicht wurde ausdrücklich der Begriff der Anwartschaftsrechte in den Begriff der Anteile an Kapitalgesellschaften eingeordnet. Der BFH hat dieses Urteil deshalb zu Recht aufgehoben.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.02.2005, 11 K 483/04