Sachverhalt
Die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland betraf die Vereinbarkeit eines ermäßigten Steuersatzes für die Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftlichen Erwerbe (insbesondere) von Pferden mit Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-Richtlinie bzw. Anhang III Nr. 1 MwStSystRL. In gleicher Angelegenheit hatte die Kommission die Niederlande (Rechtssache C-41/09, EuGH-Urteil v. 3.3.2011) sowie Österreich (Rechtssache C-441/09, EuGH-Urteil v. 12.5.2011) verklagt.
Nach Art. 96 MwStSystRL wenden die Mitgliedstaaten einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. Gemäß Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL sind die ermäßigten Steuersätze nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar. Die Mitgliedstaaten können gemäß Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL zur Anwendung der ermäßigten Steuersätze im Sinne des Absatzes 1 auf Kategorien von Gegenständen die betreffenden Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen.
Anhang III zur MwStSystRL enthält ein Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze gemäß Art. 98 MwStSystRL angewandt werden können. Unter Kategorie 1 des Anhangs III fallen "Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten sowie üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse". Unter Kategorie 11 des Anhangs III fallen die "Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind, mit Ausnahme von Investitionsgütern wie Maschinen und Gebäuden".
Die EU-Kommission war in ihrem Klageantrag der Auffassung, insbesondere Pferde seien üblicherweise nicht dafür bestimmt, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden und daher sei die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Lieferungen von Pferden unzulässig. Im vorprozessualen Verfahren hatte die Kommission noch weitergehend argumentiert, dass die Steuerermäßigung der Lieferungen lebender Tiere wie reinrassige Zuchttiere, Reit- und Rennpferde, Brieftauben sowie wegen ihrer Haare oder Haut aufgezogene Tiere, auch wenn diese üblicherweise nicht dafür bestimmt seien, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden, unionsrechtswidrig sei. Damit wären z.B. auch Lieferungen aller Arten von Hausschafen und Hausziegen sowie von Hauskaninchen streitig gewesen, gleichgültig, ob sie ihres Fleisches oder Felles wegen oder für andere Zwecke aufgezogen werden. Gleiches hätte für die in dem BMF-Schreiben v. 5.8.2004 ausdrücklich aufgeführten Geflügelarten sowie deren Küken und Kapaune, auch wenn sie zum Einsetzen in Käfige, Parks oder Wasseranlagen aufgezogen und gehalten werden, und alle Haustauben einschließlich Brief-, Zier- oder Hoftauben gegolten. Der EuGH hat den Klageantrag dahingehend gedeutet, dass die Kommission ihre Klage auf Lieferungen (sowie Einfuhren und innergemeinschaftliche Erwerbe) von Pferden beschränkt habe.
Entscheidung
Der EuGH ist (wie auch in seinen Entscheidungen gegen die Niederlande und gegen Österreich) dem Klageantrag der EU-Kommission (Schlussanträge des Generalanwalts sind in der vorliegenden Rechtssache nicht ergangen) gefolgt. Durch die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf sämtliche Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftliche Erwerbe von Pferden hat Deutschland gegen Unionsrecht verstoßen.
Nach Anhang III Nr. 1 MwStSystRL dürfen die Mitgliedstaaten - so das EuGH-Urteil - einen ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung etc. von Pferden nur dann anwenden, wenn das Pferd zur Schlachtung geliefert wird. Entscheidend ist damit der Verwendungszweck der Lieferung beim Abnehmer. Nach dem Urteil wollte der Richtliniengeber die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes auf Gegenstände beschränken, die selbst zwar keine Nahrungs- oder Futtermittel sind, jedoch üblicherweise dafür bestimmt sind, für deren Zubereitung verwendet zu werden.
Als obiter dictum gibt der Gerichtshof darüber hinaus zu erkennen, dass auf die Lieferung etc. von Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen unabhängig von ihrem konkreten Verwendungszweck beim Leistungsempfänger ein ermäßigter Steuersatz erhoben werden darf. Diese Tiere sollen nach dem Urteil gewöhnlich und generell dafür bestimmt sein, in die menschliche oder tierische Nahrungskette zu gelangen.
Als weiteres obiter dictum des EuGH ist wohl zu erkennen, dass nach der Entscheidung Lieferungen von Pferden auch nicht auf der Grundlage von Anhang III Nr. 11 generell dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können. P...