Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die Festsetzung von Verzögerungsgeld erfordert eine zweifache Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, nämlich über das ob (sog. Entschließungsermessen) und die Höhe des Verzögerungsgelds.
Sachverhalt
Im Juni 2012 begann das Finanzamt bei der Klägerin - einer GmbH - mit einer steuerlichen Außenprüfung. Im Rahmen der Prüfung stellte der Prüfer mehrere Prüfungsanfragen, darunter auch zur Vorlage der Sachkontennachweise für 2009 sowie des Anlageverzeichnisses. Da die Klägerin die Unterlagen trotz entsprechender Belehrungen erst mit einer Verzögerung von 83 bzw. 19 Tagen einreichte, setzte das Finanzamt ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR fest. Die vorgetragenen Entschuldigungsgründe hielt das Finanzamt für unbeachtlich.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat die Festsetzung wegen seiner Ermessensfehlerhaftigkeit aufgehoben.
Das Finanzamt kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR festsetzen, wenn der Steuerpflichtige im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung der Aufforderung u. a. zur Vorlage von Unterlagen innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nicht nachgekommen ist. Dabei hat das Finanzamt eine zweifache Ermessensentscheidung zu treffen.
Vorliegend hat das Finanzamt bereits von seinem Entschließungsermessen rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht. Es hat nicht hinreichend gewürdigt, dass die Klägerin die übrigen Prüfungsanfragen vergleichsweise pünktlich beantwortet hat. Darüber hinaus ist auch die vom Finanzamt bei der Begründung der Verzögerungsgeldfestsetzung herangezogene Berechnung der Fristüberschreitung nicht frei von Ermessensfehlern, da die Belehrungen des Prüfers zu der möglichen Verzögerungsgeldfestsetzung zum Teil irreführende Angaben enthielten. Im Übrigen hat das Finanzamt die von der Klägerin vorgebrachten und von ihm der Sache nach nicht bestrittenen Gründe für die Verzögerung nicht hinreichend gewichtet und dadurch auch insoweit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
Hinweis
Aus dem Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO folgt, dass das Finanzgericht die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen darf. Es darf allerdings u. a. prüfen, ob das Finanzamt den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet hat. Bei der Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist es dem Finanzamt dabei insbesondere verwehrt, im Rahmen der Ausübung seines sog. Entschließungsermessens von einer Vorprägung in dem Sinne auszugehen, dass jede Verletzung der Mitwirkungspflichten i. S. d. § 200 Abs. 1 AO grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führten muss.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 24.08.2014, 4 K 2534/13