Folglich stellt sich die Frage, welche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer Kraftfahrzeugen und somit auch Dienstwägen bei zu messen ist? Die Verwaltung geht in ihren amtlichen AfA-Tabellen von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von sechs Jahren aus. Das Gleiche macht sie in Beispiel 2 des Abschn. 15.23 Abs. 11 Nr. 2 UStAE, in dem die lohnsteuerlichen Werte aus der Fahrtenbuchmethode für die Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage herangezogen werden; diese Vorgehensweise in Beispiel 2 verwundert allerdings ein wenig, da das BMF in seinem Schreiben vom 3.3.2022 im Bereich der Lohnsteuer eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Kraftfahrzeugen von acht Jahren annimmt. Diese Annahme geht auf die Rechtsprechung des BFH zurück, der schon seit drei Jahrzehnten die Auffassung vertritt, dass Kraftfahrzeuge eine durchschnittliche Gesamtlaufleistung von 120.000 km haben, was bei einer durchschnittlichen Jahreslaufleistung von 15.000 km eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von acht Jahren ergibt. Das FG München, als Vorinstanz zum BFH-Urteil v. 29.3.2005, ging bereits im Jahr 2003 sogar noch weiter und urteilte, dass Kraftfahrzeuge mit einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistung von 160.000 km weder wirtschaftlich noch technisch vollständig verbraucht sind, zumindest nicht, wenn es sich um Kraftfahrzeuge aus dem Premiumsegment handelt. Eine ähnliche Sichtweise hat das OLG Frankfurt im Jahr 2013 eingenommen und bei Kraftfahrzeugen eine durchschnittliche Gesamtlaufleistung von 150.000 km angesetzt, die bei Kraftfahrzeugen der Oberklasse durchaus bei 200.000 km liegen kann. Das OLG Köln ist im gleichen Jahr noch weiter gegangen und hat für Recht gesprochen, dass Pkw/Kombi/SUV der mittleren und gehobenen Klasse aufgrund des hohen Qualitätsstandards heute durchschnittliche Gesamtlaufleistungen bis zu 400.000 km erreichen. Diese Entwicklung – hin zur Annahme einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistung von weit mehr als die bis dato vom BFH geschätzten 120.000 km – hat sich in den letzten fünf Jahren durch die Judikatur der Obergerichte im Rahmen der Abgasskandale verfestigt. So nehmen die Obergerichte – auf der Basis von Sachverständigengutachten – grundsätzlich eine durchschnittliche Gesamtlaufleistung von 250.000 km bis 300.000 km an. Der BGH hat die Annahmen ausdrücklich gebilligt. Ein Unterschied zwischen Diesel- und Ottomotoren besteht im Übrigen heute nicht mehr, "Benziner" halten fast ebenso lange wie moderne Pkw-Dieselmotoren. Folglich kann es mittlerweile als gesichert angesehen werden, dass bei Kraftfahrzeugen (mit Diesel- und Ottomotoren) von einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistung von 250.000 km bis 300.000 km auszugehen ist. Erste Praxiserfahrungen zeigen, dass auch Elektrofahrzeuge ähnliche Größenordnungen erreichen dürften.
Unter der Maßgabe, dass der im Umsatzsteuerrecht entscheidende nationale Durchschnittsverbraucher ein Kraftfahrzeug durchschnittlich 12.000 km pro Jahr nutzt, ergibt sich bei Fortschreibung dieser Jahreslaufleistung auf die heute anzunehmende Gesamtlaufleistung von 250.000 km bis 300.000 km eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für Kraftfahrzeuge und entsprechend auch für Dienstwägen von mindestens 20 Jahren. Und selbst wenn man – wie der BFH bisher – von einer durchschnittlichen Jahreslaufleistung von 15.000 km ausgeht, würde die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Dienstwägen heute bei mindestens 16 Jahren liegen. Allerdings könnte aufgrund des Umstands, dass die Nutzungsdauer "betriebsgewöhnlich" zu betrachten ist, mit der Folge, dass stets die besonderen betrieblichen Verhältnisse zu beachten sind, unter denen das Wirtschaftsgut eingesetzt wird, und diese Verhältnisse grundsätzlich für jedes selbständige Wirtschaftsgut gesondert zu ermitteln sind, auch eine weitergehende Differenzierung (z.B. pro Arbeitgeber, pro Arbeitnehmergruppe beim Arbeitgeber, pro Arbeitnehmer beim Arbeitgeber) angezeigt sein. Diese Differenzierung dürfte in der Praxis auch ohne allzu großen Aufwand möglich sein, da dienstwagenberechtigte Arbeitnehmer meistens aus lohnsteuerlichen und/oder betrieblichen Gründen ihre Fahrleistungen aufzeichnen (mittlerweile oft mit der Hilfe von elektronischen Fahrtenbüchern), so dass eine exakte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer pro Arbeitnehmer ermittelbar ist (oder diese zumindest pro Arbeitnehmergruppe, wie z.B. für alle Innendienst- oder Außendienstmitarbeiter, schätzbar ist). Demnach würde etwa in Beispiel 8 die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Dienstwagens bei einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km und einer Jahresfahrleistung des Arbeitnehmers von 20.000 km bei 12,5 Jahre liegen. Bei einem Arbeitnehmer, der aufgrund z.B. Tätigkeit im Außendienst 50.000 km im Jahr zurücklegt, würde sie dagegen nur bei 5 Jahren liegen.