Leitsatz
1. Die Ausgestaltung des Steuertarifs für Energieerzeugnisse, der für bestimmte Energieerzeugnisse einen allgemeinen Steuersatz vorsieht, bei dem es nicht darauf ankommt, ob diese als Kraft- oder Heizstoff verwendet werden, begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken.
2. Bei der Festlegung eines Steuersatzes für ein Energieerzeugnis, für das in § 2 Abs. 1 bis 3 EnergieStG kein Steuersatz festgelegt ist, ist in einem ersten Schritt zu bestimmen, ob das Erzeugnis als Kraft- oder Heizstoff eingesetzt wird.
3. Lässt sich in der Tabelle C des Anhangs I RL 2003/96/EG kein Erzeugnis finden, das ersatzweise anstelle des tatsächlich als Heizstoff eingesetzten Energieerzeugnisses hätte verwendet werden können, ist festzustellen, welchem der in der Tabelle C des Anhangs I RL 2003/96/EG genannten Heizstoff das Erzeugnis nach seinem konkreten Verwendungszweck und seiner Beschaffenheit am nächsten steht.
4. Bei der Bestimmung eines gleichwertigen Heizstoffs sind sowohl der konkrete Verwendungszweck und dessen Anforderungen an das verwendete Erzeugnis (zu erreichende Prozesstemperatur, geforderter Reinheitsgrad) als auch die Beschaffenheitsmerkmale wie z.B. der Aggregatzustand, der Siedebereich, das Verhältnis von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, die Viskosität, der Flammpunkt oder die Dichte der zu vergleichenden Erzeugnisse zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 bis 4 EnergieStG, Art. 2 Abs. 3 RL 2003/96/EG
Sachverhalt
Die Klägerin benötigt für die Herstellung ihrer Produkte hohe Temperaturen, die allein durch die Verbrennung des eingesetzten Erdgases nicht erreicht werden können. Deshalb verwendet sie zusätzlich Toluol, das direkt in den heißen Sauerstoffstrom eingesprüht wird, wo es verdampft und anschließend verbrennt.
Die beantragte Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung des Toluols lehnte das HZA unter Hinweis auf das Verheizen des Toluols ab und setzte unter Anwendung des für schwefelarmes Benzin geltenden Steuersatzes Energiesteuer fest.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG meinte, der Steuersatz des Toluol am nächsten stehenden Energieerzeugnisses könne nur § 2 Abs. 3 EnergieStG entnommen werden, da das Toluol im Streitfall verheizt worden sei. Nach seiner konkreten Verwendung stehe das Toluol dem in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG genannten Heizöl gleich, sodass ein Steuersatz von 25 EUR je 1.000 kg anzuwenden sei (FG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2010, 4 K 1695/10 VE, Haufe-Index 2604236).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts im Wege der Annäherung einzelstaatlicher Steuerregelungen sicherzustellen, hat die EU mit der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) Mindeststeuerbeträge für Energieerzeugnisse festgelegt. Dabei wird zwischen Kraft- und Heizstoffen unterschieden. In der Tabelle A des Anhangs I der EnergieStRL werden verschiedene Mineralöle aufgeführt, für deren Verwendung als Kraftstoff Mindeststeuerbeträge genannt sind. In der Tabelle C finden sich verschiedene Energieerzeugnisse und dazugehörige Mindeststeuerbeträge bei deren Verwendung als Heizstoff. Für Energieerzeugnisse, die in diesen Tabellen nicht genannt sind, bestimmt Art. 2 Abs. 3 Satz 1 EnergieStRL, dass sie je nach Verwendung (als Kraft- oder Heizstoff) "zu dem für einen gleichwertigen Heiz- oder Kraftstoff erhobenen Steuersatz" zu besteuern sind.
2. Anstatt diese Systematik der Richtlinie einfach zu übernehmen, hat der deutsche Gesetzgeber etwas Eigenes kreiert und hat in § 2 Abs. 1 und 2 EnergieStG zunächst allgemein geltende Steuersätze für die dort genannten Energieerzeugnisse unabhängig davon festgelegt, ob das jeweilige Energieerzeugnis als Kraft- oder Heizstoff verwendet wird. In § 2 Abs. 3 EnergieStG werden dann hiervon abweichende (niedrigere) Steuersätze für bestimmte Energieerzeugnisse festgelegt, die zum Verheizen oder in begünstigten Anlagen nach den §§ 3 und 3a EnergieStG verwendet werden. Für in diesen Absätzen nicht aufgeführte Energieerzeugnisse heißt es in § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG, sie unterlägen der gleichen Steuer "wie die Energieerzeugnisse, denen sie nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Verwendungszweck am nächsten stehen".
3. Wegen dieser voneinander abweichenden Wortlaute in Richtlinie und nationalem Recht sowie der nicht übereinstimmenden Listen der jeweils genannten Energieerzeugnisse war es unklar, wie im konkreten Fall eines nicht aufgeführten Energieerzeugnisses der Steuersatz zu ermitteln ist. Der BFH hat deshalb in den Parallelverfahren VII R 6/11 und VII R 9/11 mit Beschlüssen vom 14.11.2012 (BFH/NV 2013, 934 und 936) dem EuGH die dort genannten Frag...