Leitsatz
Verpflichtet sich ein Vorhabenträger in einem Vertrag mit Grundstückserwerbern gegen Zahlung von Erschließungskosten dazu, Erschließungsleistungen an eine Gemeinde zu erbringen, wird die Erschließung gegen Entgelt erbracht.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG, Art. 73 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin erschloss ein Baugebiet in der Stadt X. Eigentümer der Grundstücke im Baugebiet war A. Gesellschafter der Klägerin (zu je einem Drittel) waren A, B und C.
A und die Klägerin hatten vor Beginn der Erschließung vereinbart, dass A sämtliche im Baugebiet in X liegenden Grundstücke ohne Berechnung von Erschließungskosten an die Grundstückserwerber veräußert. Die Berechnung der Erschließungskosten an die Grundstückserwerber sollte ausschließlich durch die Klägerin vorgenommen werden, und zwar in der Weise, dass die Veräußerung des Grundstücks von A an die Erwerber und die Verpflichtung der Grundstückserwerber zur Zahlung der Erschließungskosten an die Klägerin in einer notariellen Urkunde erfolgen.
Am 1.4.2004 schlossen die Stadt X und die Klägerin einen Durchführungsvertrag zum Bebauungsplan. Die Stadt X übernahm danach die Erschließungsanlagen. Die Klägerin trug die Kosten der Erschließung.
In den notariellen Kaufverträgen mit den Grundstückserwerbern wurde jeweils neben A als Verkäufer und den Grundstückserwerbern als Käufer die Klägerin, vertreten durch A, als weitere Vertragspartei (Vorhabenträger) genannt. Die Käufer hatten an den Vorhabenträger Erschließungskosten in Höhe eines einmaligen Betrages zu zahlen. Die Vertragsparteien stellten klar, dass dieser neben dem Kaufpreis zu zahlende Betrag an den Vorhabenträger für die Erschließung keine Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks darstellt. Der Vorhabenträger hatte genau bezeichnete Erschließungsleistungen zu erbringen. Die Vertragsparteien stellten weiter klar, dass bestimmte Kosten, Gebühren und Beiträge nicht in dem Gesamtbetrag, der an den Vorhabenträger zu zahlen ist, enthalten (und somit gesondert von den Käufern zu tragen) sind.
Das FA vertrat die Auffassung, dass die Klägerin gegen Entgelt umsatzsteuerpflichtige Erschließungsleistungen an die Stadt X erbracht habe. Der von den Grundstückserwerbern für die Erschließung gezahlte Betrag sei Entgelt von dritter Seite. Außerdem sei die Erschließung eines Grundstücks des A, auf dem dieser ein Gebäude errichtet hatte, mit den Selbstkosten der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Das FG (FG Münster, Urteil vom 25.6.2015, 5 K 2660/12 U, Haufe-Index 8576540, EFG 2015, 1861) wies die Klage ab. Die (Werk-)Lieferung der Erschließungsanlagen an die Stadt X sei gegen Entgelt erfolgt. Die Grundstückserwerber hätten sich gegenüber der Klägerin zur anteiligen Zahlung der Erschließungskosten verpflichtet. Die Zahlungen der Grundstückserwerber (bzw. des A als Eigentümer des von ihm selbst errichteten Zweifamilienhauses) seien Entgelte von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) für die Werklieferung der Klägerin an die Stadt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FG. Durch die Verträge der Klägerin mit den Grundstückserwerbern sei ein unmittelbarer Zusammenhang begründet worden. Die Klägerin habe sich (auch) gegenüber den Erwerbern verpflichtet, die darin genannten Leistungen an die Stadt X zu erbringen. Dafür erhielt sie von den Grundstückserwerbern eine Gegenleistung. Die Grundstückserwerber hatten danach einen Anspruch darauf, dass die Klägerin die im Vertrag genannten Leistungen an die Stadt erbringt.
Hinweis
"Entgeltlich oder unentgeltlich", das war hier die Frage, die der BFH für eine Erschließungsleistung zu beantworten hatte.
1. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehört "zum Entgelt auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt". Das UStG definiert das Entgelt also an sich aus der Sicht des Zahlenden (Leistungsempfänger oder Dritter).
2. Eine völlig andere Perspektive nimmt das Unionsrecht ein, nämlich die des Leistenden: Zur Besteuerungsgrundlage zählt alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.
3. Entscheidend dafür, ob eine Zahlung "für die Leistung" bzw. "für die Umsätze" gewährt wird bzw. der Leistende sie hierfür erhält, ist jedoch aus beiden Perspektiven, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 3.3.1994, C‐16/93, TolsmaNJW 1994, 1941, Rz. 13 f.; BFH, Urteil vom 16.10.2013, XI R 39/12, BStBl II 2014, 1024, Rz. 32). Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird bzw. ob der Lei...