Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Eine Erstattung von Energiesteuer nach § 60 EnergieStG ist nur dann möglich, wenn der Mineralölhändler offene Forderungen rechtzeitig gerichtlich verfolgt. Dies ist auch dann nicht entbehrlich, wenn sein Kunde mitteilt, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bevorsteht.
Sachverhalt
Im Zeitraum vom Mai/Juni 2009 belieferte die Klägerin eine Firma im Rahmen von neun Einzellieferungen mit versteuertem Dieselkraftstoff. Es kam zu einigen Rücklastschriften und Mitte Juni teilte die Firma der Klägerin telefonisch mit, dass sie demnächst einen Insolvenzantrag stellen würde. Daraufhin ordnete die Klägerin am selben Tag einen Lieferstopp an. Weitere Versuche, die noch offenen Rechnungen dem Konto der Firma zu belasten, unternahm die Klägerin aber nicht. Auch beantragte sie keinen gerichtlichen Mahnbescheid gegen den Komplementär. Im August wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, in dem die Klägerin ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmeldete. Aufgrund dessen beantragte die Klägerin beim Hauptzollamt die Erstattung der in der gelieferten Dieselkraftstoffmenge enthaltenen Energiesteuer, was abgelehnt wurde. Auch der Einspruch blieb erfolglos.
Entscheidung
Vor dem Finanzgericht hatte die Klägerin keinen Erfolg, da sie nach Überzeugung des Gerichts ihre Ansprüche gegen die Firma A nicht in ausreichender Weise geltend gemacht hatte. Sie hätte ihre Ansprüche rechtzeitig gerichtlich geltend machen müssen, leitete jedoch gegen ihre Kundin überhaupt keine gerichtlichen Schritte ein und beantragte auch keinen Mahnbescheid. Ob dies ohnehin ohne Erfolg geblieben wäre, könne dahinstehen, weil es nach geltender BFH-Rechtsprechung auf die konkreten Erfolgsaussichten der gerichtlichen Verfolgung nicht ankomme und sich eine ex-post-Betrachtung verbiete. Insbesondere sei die Beantragung eines Mahnbescheids nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens vorliegend nicht von vorneherein aussichtslos und daher unzumutbar gewesen. Denn zum einen bestünde in diesem Stadium keine Gewissheit, ob es überhaupt zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens komme, weil der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgezogen werden kann. Zum anderen sei auch im Streitfall zumindest noch eine Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen denkbar gewesen, weil sich die Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nicht darauf erstreckt hat und Grundpfandrechte daher bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin verwertet werden durften (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).
Hinweis
Nach § 60 EnergieStG wird dem Verkäufer auf Antrag eine Steuerentlastung für die im Verkaufspreis enthaltene Steuer gewährt, die beim Warenempfänger wegen Zahlungsunfähigkeit ausfällt,
- wenn der Steuerbetrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 5.000 EUR übersteigt,
- wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit im Einvernehmen mit dem Verkäufer herbeigeführt worden ist,
- wenn der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war und
- wenn Verkäufer und Warenempfänger nicht wirtschaftlich miteinander verbunden sind.
Die genannten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, sodass mangels Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist (BFH, Urteil v. 11.1.2011, VII R 11/10, BFH/NV 2011 S. 1022).
Die gerichtliche Verfolgung eines Anspruchs bedeutet, die rückständigen Forderungen, mit denen der Abnehmer in Zahlungsverzug geraten ist, beim Zivilgericht mit den Mitteln, die nach den Vorschriften der ZPO zur Verfügung stehen, rechtshängig zu machen. Auf die konkreten Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs im Rahmen einer Kausalitätsbetrachtung ex-post kommt es nicht an. Somit kann auf die rechtzeitige gerichtliche Verfolgung des Anspruchs auch dann nicht verzichtet werden, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt ist (BFH, Urteil v. 11.1.2011, VII R 11/10, BFH/NV 2011 S. 1022).
Die gerichtliche Verfolgung muss zudem zügig erfolgen, um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Ein Mahnsystem, bei dem sichergestellt ist, dass im Falle der Nichtbegleichung der Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet wird, ist hinzunehmen. Dabei handelt es sich nicht um eine starre Frist. Vielmehr hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, welche Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um den Vergütungsanspruch zu erhalten. (BFH, Beschluss v. 14.12.2010, VII B 144/10, BFH/NV 2011 S. 853).
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 13.09.2012, 14 K 722/11