Überfällige Forderungen in 4 Stufen erfolgreich eintreiben

Weltweit hat sich die Zahlungsmoral so stark verschlechtert wie seit der großen Finanzkrise 2008 nicht mehr. Viele Unternehmen leiden in der aktuellen Rezession darunter, dass ihre Rechnungen erst lange nach Fälligkeit oder Klageerhebung bezahlt werden. Ein abgestuftes Vorgehen in vier Schritten ab Tag 1 der ausbleibenden Zahlung erhöht Ihre Chancen, doch noch an Ihr Geld zu kommen.

Er gilt als reichster Mann der Welt, aber gegenüber Lieferanten und Dienstleistern zeigt er sich zugeknöpft: Seit Elon Musk vor zwei Jahren den Mikroblogging-Dienst X (vormals Twitter) übernommen hat, haben es seine Gläubiger schwer, an ihr Geld zu kommen. So hat der taiwanesische Serverhersteller Wiwynn Musks Unternehmen wegen unbezahlter Rechnungen in Höhe von 61 Millionen Dollar verklagt. Rechnungen von Google Cloud, Oracle und Amazon zahlte X erst mit großer Verspätung, als die Gläubiger zu Gegenmaßnahmen griffen und beispielsweise Zahlungen für Werbung auf X stoppten. Musks Weigerung, Rechnungen zu begleichen, ist offenbar Teil seiner Kostensenkungsstrategie, um die Plattform aus den roten Zahlen zu hieven.

Zahlungsmoral verschlechtert sich weltweit 

Der Konflikt Musks mit seinen Gläubigern ist kein Einzelfall. So analysiert der weltweit führende Kreditversicherer Allianz Trade in einer Studie (vgl. News ), dass der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und deren Bezahlung – die "Days Sales Outstanding" (DSO)sich im vergangenen Jahr im Schnitt um drei auf 59 Tage erhöhte. Der Anstieg ist damit fast doppelt so hoch wie 2022. In Deutschland sieht es mit einem Anstieg um 0,8 auf 54 Tage nur wenig besser aus.

In diesem Jahr hat sich die Zahlungsmoral zudem weiter verschlechtert. Nach Erkenntnissen der jährlichen Befragung des  Kreditversicherers Coface zu den Zahlungserfahrungen deutscher Unternehmen ist der Anteil der Firmen, die von Zahlungsverzögerungen berichten, seit 2021 deutlich gestiegen. Nach der aktuellen Umfrage vom Herbst 2024 gaben 78 Prozent der Unternehmen an, von Zahlungsverzug betroffen zu sein. Sprunghaft sei insbesondere der Anteil der Rechnungen gestiegen, die länger als sechs Monate fällig bleiben. Davon sind 16 Prozent aller Unternehmen betroffen, ergab die Umfrage.

Bei überfälligen Rechnungen droht Zahlungsausfall

Nach den Erfahrungen von Coface werden 80 Prozent der Rechnungen, die länger als 180 Tage säumig sind, nie bezahlt. Betroffen ist insbesondere der Maschinenbau. Fast jedes dritte Unternehmen berichtet hier von extrem lange überfälligen Zahlungen, die zwei Prozent oder mehr ihres Jahresumsatzes ausmachen. "Je länger Unternehmen auf ihr Geld warten müssen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Rechnung gar nicht bezahlt wird", sagt auch Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Insofern ist die Zahlungsmoral ein wichtiger Indikator für potenzielle Zahlungsausfälle und damit Vorbote für Insolvenzen."

Unternehmen sollten deshalb offene Forderungen, nicht nur im internationalen Business, eng überwachen und fällige Rechnungen schnell und professionell eintreiben.  Der größte Fehler ist es in dieser Situation, zu lange abzuwarten und sich in Geduld zu üben.

Verjährungsfristen beachten

Forderungen unterliegen der dreijährigen Verjährungsfrist (vgl. News). Generell ist es in diesem Fall wie bei jeglichen Verjährungsfristen: Wer sich jahrelang nicht um die Durchsetzung seiner Rechnung kümmert, dem bleibt kurz vor Toresschluss nur der juristische Weg und eine mögliche spätere Verhandlung. Dies ist im Sinne der Kundenkommunikation zwar nicht optimal, aber zur Absicherung der Ansprüche erforderlich. Konkret heißt dies:

  • Gerichtliches Mahnverfahren einleiten: Stellen Sie einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids. Dieser hemmt die Verjährung ab Zustellung des Bescheids (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
  • Klage einreichen: Durch Klageerhebung wird die Verjährung ebenfalls unterbrochen (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Es muss jedoch gar nicht so weit kommen, wenn frühzeitig Kontakt mit säumigen Schuldnern gesucht wird.

Die Strategie eines abgestuften Vorgehens in vier Schritten

  1. Unmittelbar reagieren: Dass man nicht sofort einschreitet, liegt häufig daran, dass der Geschäftspartner in der Vergangenheit stets zuverlässig war. Deshalb projiziert man dies auch in die Zukunft, um die gute jahrelange Geschäftsbeziehung nicht zu beeinträchtigen. Doch es ist falsch abzuwarten, statt die eigenen Interessen proaktiv zu vertreten und von Tag eins an ausbleibende Zahlungen anzusprechen. Aus Sicht eines Verhandlungsexperten gilt: Passives Abwarten und Schweigen ist die falsche Methode. Es gibt kein zu frühes Anmahnen von offenen Forderungen. Im Gegenteil, zögerliches Verhalten kann als Zeichen falscher Nachgiebigkeit und mangelnder Professionalität etwa bei der Kontrolle der Zahlungseingänge interpretiert werden.

    Allerdings sollte der Ton in der Kommunikation weiterhin freundlich und partnerschaftlich sein, wenn man auf die ausgebliebenen Zahlungen hinweist. Bei einer langjährigen Geschäftsbeziehung, die man fortsetzen will, besteht zudem die Gefahr, dass Kunden nachlässiges Verhalten gegenüber Zahlungszielen für normal bei einer guten Partnerschaft halten und daraus das Recht auf weitere Übertretungen ableiten. Gerade deshalb ist es wichtig, auf korrekter Bezahlung innerhalb der Fälligkeit zu bestehen, damit solches Verhalten nicht einreißt. Hier selbstbewusst die eigenen Interessen zu vertreten ist Ausdruck unternehmerischer Professionalität.
  2. Nach striktem Fahrplan an die Zahlungen erinnern: Ist eine Forderung im Verzug, sollten Unternehmen gleich am ersten Tag eine freundliche, schriftliche Erinnerung schicken, dass die Zahlung noch offen ist. Zeigt das bis zum dritten Werktag keinen Erfolg, sollte man persönlich telefonischen Kontakt zum Schuldner suchen. Und explizit darauf hinweisen, dass man bei ausbleibender Zahlung eine Woche später den Prozess eskalieren wird, indem man den oder die Vorgesetzen des Schuldners einbezieht.

    Diese Eskalation ist notwendig, um dem Schuldner klarzumachen, dass es ernst wird. Damit dies nicht als persönlicher Zwist aufgefasst wird, kann man auf interne Richtlinien verweisen, die dieses Vorgehen erzwingen. Bleiben die Zahlungen weiterhin aus, sollten Gläubiger dann alle zwei Tage in den Hierarchiestufen nach oben gehen bis direkt zur Geschäftsführung beziehungsweise dem Vorstandsvorsitzenden
  3. Den Mahnprozess starten, die Belieferung einstellen: Parallel sollte man den offiziellen Mahnprozess starten. Auf zwei Mahnschreiben folgt die Androhung eines Mahnverfahrens inklusive Mahngebühren und Verzugszinsen. Dabei sollte man sich nicht von den Ausreden des Schuldners hinhalten lassen. Die in solchen Fällen gerne angeführten Fehler der Buchhaltung, zu wenig Personal oder Wechsel des Buchhaltungsanbieters können keine Rechtfertigung sein, um einen Zahlungsverzug zu begründen. Vielmehr sollte der Gläubiger als nächste Stufe der Eskalation ankündigen, dass er ab sofort die weitere Belieferung einstellt. Schon das Wort "Lieferstopp", verbunden mit einer Zeitangabe, kann wahre Wunder bewirken. Vor dieser Drohung sollte man nicht zurückschrecken, etwa weil man sich wegen der langjährigen Geschäftsbeziehung zur weiteren Belieferung verpflichtet fühlt.
  4. Anwalt einschalten, Position ausloten: Parallel empfiehlt es sich, einen Anwalt hinzuzuziehen und einschätzen zu lassen, wie stark die eigene Position ist und ob sich die Forderung juristisch und materiell durchsetzen lässt. Fällt die Prüfung positiv aus und ist die Forderung weiter im Verzug, sollte man diesen Weg gehen, eventuell unter Einschaltung eines Inkasso-Büros. Denn, wie bereits oben ausgeführt: Je länger die Forderung nicht beglichen wird, umso wahrscheinlicher ist ihr Totalausfall.



Schlagworte zum Thema:  Forderungsmanagement, Zahlungsverzug, Mahnung