Unkonkrete Regeln und mangelnde Datenverfügbarkeit: Typische Hindernisse im Transferpreis-Management


Serienelemente
Regularien und Datenbestand - Probleme für Verrechnungspreis

Für die effektive und effiziente Operationalisierung der Verrechnungspreis-Policies spielen aussagekräftige und validierte Daten, die den steuerlichen Anforderungen genügen, eine entscheidende Rolle. Doch hier stehen die meisten Unternehmen noch vor großen Herausforderungen, wie Dr. Markus Rose in Teil 2 der Interviewserie erläutert.

In diesem Inteview setzen Dr. Markus Rose, Transfer Pricing Partner bei Deloitte und Experte im Bereich Process Intelligence, Data Analytics und OTP, und Fangying Xu, Transfer Pricing Managerin bei Deloitte, ihre Diskussion über Operational Transfer Pricing fort. Nachdem sie bereits einen Deep Dive in das Thema der OTP-Prozesse vorgenommen haben (siehe „Verrechnungspreismanagement: „Prozesse“ als Basis von Compliance und Automatisierung“), gehen sie in diesem Teil auf das Thema „Daten“ ein. Neben robusten und transparenten TP-Prozessen sowie effektiven Kontroll- und Governance-Systemen spielen aussagekräftige und validierte Daten, die den steuerlichen Anforderungen genügen, eine entscheidende Rolle für die effektive und effiziente Operationalisierung der Verrechnungspreis-Policies. Wesentliche Themen im Bereich Daten sind hierbei: Datenspezifikation (z.B. lokale GAAP- vs. Konzern-GAAP-Daten, Controlling-Daten vs. handelsrechtliche vs. steuerliche Daten, Transaktionsgruppen-Ebene vs. Artikel/SKU-Ebene Daten, usw.), Datenquellen (z.B. ERP- oder Nicht-ERP-Systeme) und entsprechende Datenqualität (z.B. Validierungsprozess).

Dr. Markus Rose stützt seine Aussagen dabei sowohl auf die jüngsten regulatorischen Entwicklungen im Bereich der Verrechnungspreise als auch auf eine aktuelle Marktumfrage unter über 125 OTP-Experten aus verschiedenen globalen Branchen. Diese OTP-Experten haben hierbei ihre spezifischen Erfahrungen aus den Bereichen Steuern/TP, Buchhaltung und Controlling einfließen lassen.

Daten müssen für Compliance und TP-Management einsatzbar sein

Markus, es ist wohlbekannt, dass effektives Datenmanagement in fast allen Wirtschafts- und Finanzprozessen eine entscheidende Rolle spielt. Worin liegt für Dich die besondere Bedeutung von Daten im Zusammenhang mit innerbetrieblichen Verrechnungspreisen?

Dr. Markus Rose: In einer zunehmend datengetriebenen Welt gewinnen präzise und fundierte Entscheidungen an Bedeutung – das gilt besonders für die Steuerung innerbetrieblicher Verrechnungspreise. Für Controller und andere Finance-Experten, die für die Schaffung finanzieller Transparenz im Unternehmen, die Optimierung von Geschäftsprozessen und die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit verantwortlich sind, spielen Daten dabei eine zentrale Rolle. Daten sind nicht nur Grundlage für die Kalkulation von Verrechnungspreisen, sondern auch für deren Nachvollziehbarkeit und Verteidigung gegenüber internen und externen Stakeholdern, wie etwa Finanzbehörden.

Für ein effektives Verrechnungspreissystem benötigt man Zugang zu einer Vielzahl von Daten. Die Ermittlung der "richtigen" Daten erfordert in der Regel eine gründliche Analyse, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind und die Transaktionen, Finanzdaten, die zugehörigen Unternehmen und Marktdaten in den Verrechnungspreisberichten korrekt und konsistent wiedergegeben werden.

Bereits hier zeigt sich die besondere Herausforderung, die Verrechnungspreise einnehmen: Es gibt zwar international als auch national Regeln und auch gesetzliche Anforderungen, welche konkreten Daten für die Bestimmung, Überprüfung und ggf. Anpassung von Verrechnungspreisen zu verwenden sind. Diese Regeln und Anforderungen sind jedoch in einigen Fällen im Detail unkonkret und lassen den Unternehmen einen Handlungsspielraum bei der Operationalisierung oder erfordern einen hohen Aufwand für die Unternehmen, um diese regulatorischen Anforderungen einzuhalten. Dies ist zum Beispiel auch einer der Gründe dafür, dass es keine im ERP-System verdrahteten Standards gibt, die die Berechnung, Analyse und das Reporting von konzerninternen Verrechnungspreisen automatisiert vornehmen.

Stattdessen müssen Unternehmen häufig umfangreiche manuelle Analysen durchführen, um beispielsweise Daten auf Transaktionsebene korrekt zu identifizieren, zuzuordnen und abzugleichen. Dieser Prozess umfasst die Prüfung von Quellsystemen und die mögliche Kennzeichnung von Transaktionen für die weitere Verarbeitung. In der Praxis stellen wir fest, dass dies ein sehr arbeitsintensiver und zeitaufwändiger Prozess sein kann, der den Transparenzanforderungen moderner Finanzverwaltungen oft nicht gerecht wird.

Kannst Du bitte näher erläutern, welche Art von Daten in Zusammenhang mit Verrechnungspreisen gesammelt werden müssen und wie dies am besten durchgeführt werden kann?

Für Verrechnungspreiszwecke werden viele verschiedene Arten von Daten benötigt. Grundsätzlich kann man hier zwei Bereiche unterscheiden:

  1. Compliance-bezogene Daten sind notwendig, um für das (abgelaufene) Geschäftsjahr zu dokumentieren, dass die Verrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.
  2. TP-Management-bezogene Daten werden benötigt, um bereits unterjährig eine Steuerung der Verrechnungspreise zu ermöglichen.

Ein Beispiel für Compliance-bezogene Daten sind die sogenannten (BEPS) Local Files. Bei der Erstellung eines Local Files wird beispielsweise in der Regel der Jahresabschluss der jeweiligen lokalen Einheit benötigt, zusammen mit weiteren Informationen, wie z. B. segmentierten Finanzdaten auf Transaktionsbasis.

In unserer Marktstudie haben wir festgestellt, dass 50 % der befragten Unternehmen für ihre Verrechnungspreisberichterstattung Local-GAAP-Zahlen verwenden (z.B. HGB Zahlen), da diese mit den lokalen gesetzlichen Anforderungen übereinstimmen. Weitere 21 % verwenden einen kombinierten Ansatz für ihre Verrechnungspreis-Reports: d.h. für manche Länder wird Local-GAAP verwendet, für andere Länder ist es Group-GAAP basierend.

Es ist interessant zu sehen, dass entsprechend unserer Studie, ein weiteres Drittel der befragten Unternehmen für die Dokumentation ihrer Verrechnungspreise durchgängig Group-GAAP als Basis verwenden. Ein solches Ergebnis könnte durch unterschiedliche Länderanforderungen und Best Practice bedingt sein.

In Deutschland ist die Grundlage für die Verrechnungspreisdokumentation im Wesentlichen in den Abgabenordnungen (AO) und den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise (VWG VP) geregelt. Insbesondere im § 90 Abs. 3 AO wird festgelegt, dass Steuerpflichtige verpflichtet sind, Verrechnungspreisdokumentationen vorzulegen, die nachvollziehbar und auf Basis der deutschen steuerrechtlichen Vorschriften erstellt sind. Die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise erläutern weiterhin, dass die Dokumentation auf den nach lokalem Recht erstellten Abschlüssen und steuerlichen Ergebnissen basieren muss. Das bedeutet, dass für steuerliche Zwecke in Deutschland in erster Linie Local-GAAP (HGB) die Basis bildet.

Was Du gerade beschrieben hast, bezieht sich auf die TP-Compliance. Wie sieht es denn mit den Datenanforderungen beim TP-Management aus?

Wenig überraschend gibt es auch hier keinen Standard und die gelebte Praxis richtet sich nach dem Ambitionslevel des Unternehmens, wie stark es konzerninterne Verrechnungspreise unterjährig proaktiv steuern will und der Datenverfügbarkeit. Gut ein Drittel der befragten Unternehmen hat gesagt, dass sie Verrechnungspreise auf hoch aggregiertem Level managen, also auf Ebene von Transaktionsgruppen, wie sie auch für die TP-Compliance benötigt werden. 14 % haben hingegen angegeben, dass sie beim aktiven TP-Management sehr granular vorgehen und auf Materialebene die Verrechnungspreise steuern. Dieses stellt höhere Anforderungen and die Verfügbarkeit und Qualität der zugrundeliegenden Finanzdaten. Gleichzeitig reduziert es aber die Schnittstellenprobleme zu anderen Steuerbereichen, wie beispielsweise Umsatzsteuern und Zölle.

Bezüglich der TP-Compliance und des TP-Managements scheint es also keinen klaren Markt-Standard zu geben. Wie sieht es denn im Bereich der Preisfestsetzung zu Beginn des Geschäftsjahres aus?

Da ergibt unsere Studie ein ähnlich heterogenes Bild: Gut 60 % der teilnehmenden Unternehmen verwenden für ihr Price-Setting Group-GAAP-Zahlen und knapp 40 % verwenden Local-GAAP. Bemerkenswert der hohe Anteil der Local-GAAP-Nutzer als Basis für das Price-Setting, da eine konsistente Anwendung dieses Ansatzes mit erhöhten methodischen und operativen Herausforderungen verbunden ist. Betrachten wir zum Beispiel eine Routine-Funktion, die auf eine vom Markt bestimmte operative Zielmarge ausgesteuert werden soll (z.B. mit einer Transaktionsbezogene Netto-Margen-Method). Hier kann sich diese Marge häufig nach Local-GAAP deutlich von der Marge nach Group-GAAP unterscheiden und für die Gegenpartei (i.d.R. der Entrepreneur) intransparent sein. Für viele Unternehmen ist es heute noch Wunschdenken, in einer zentralen Steuer- oder Controlling-Einheit, durchgängige Transparenz über die Finanzkennzahlen aller verbundenen Unternehmen auf Transaktionsebene zu haben – und zwar auf Basis Group-GAAP, Local-GAAP und lokaler Steuerbilanz.

Fehlende zentrale TP-Datenbank erschwert die Aufgabenerfüllung

Kannst Du etwas mehr über die größten Herausforderungen sprechen, denen sich Unternehmen heutzutage bei der Beschaffung der "richtigen" Daten gegenübersehen?

Wir sind uns bewusst, dass die meisten Unternehmen nicht über eine zentrale Datenbank für die Erstellung von TP-Berichten verfügen. In unserer Umfrage haben zum Beispiel 70 % der Befragten geantwortet, dass sie kein zentrales Data Warehouse für TP-Zwecke hätten, sondern die benötigten Daten (teilweise mühevoll manuell) zusammengetragen werden müssen.

Dabei kann gerade ein zentrales Data Warehouse wesentlich zu effizienten OTP-Prozessen beitragen, indem es die Basis ist, um Datenqualität, -vollständigkeit und -konsistenz sicherzustellen. Ein konsolidiertes Data Warehouse erleichtert die zentrale Verwaltung und den einfachen Zugriff auf wichtige Daten und trägt gleichzeitig dazu bei, die Konsistenz und Verlässlichkeit von Verrechnungspreisberechnungen und -berichten zu gewährleisten.

Und wenn diese Daten gespeichert sind, läuft dann die Arbeit quasi von alleine?

Für die Verantwortlichen im Steuerwesen ist es von entscheidender Bedeutung, nicht nur ihren Datenbedarf zu kennen, sondern auch gemeinsam mit den Finance-Kollegen/innen, die Datenverfügbarkeit und -qualität einschätzen zu können. In der Regel sind die benötigten Steuerdaten nicht ohne weiteres in den zentralen Finanzsystemen vorrätig, sondern die vorhandenen Daten müssen bearbeitet werden, so dass sie den steuerlichen Anforderungen genügen. Daher empfehlen wir dringend, vor der Implementierung von automatisierten Lösungen und zentralisierten Datenverwaltungssystemen die notwendigen Hausaufgaben zu machen. Also nicht nur die TP-Prozesse klar zu definieren und zu dokumentieren, sondern auch die benötigten und verwendeten Daten ganz transparent zu beschreiben. Dieses beinhaltet ebenso die Spezifizierung der verwendeten Datenquellen, als auch die Definition der verwendeten Daten. Am Beispiel der Dienstleistungsverrechnung beinhaltet dieses z.B. die Beschreibung welche direkten und indirekten Kosten in den Verrechnungspreis eingegangen sind und – für den Fall einer indirekten Allokation – welche Allokationsschlüssel verwendet wurden.

Welche Schritte sollten Unternehmen gehen, um diese Qualität und ihre Nützlichkeit für Verrechnungspreiszwecke sicherzustellen?

Eine hohe Datenqualität und insbesondere Datenkonsistenz ist für die Schaffung von Steuertransparenz unerlässlich. In der Praxis sehen wir, dass einige Unternehmen bereits über eine angemessene Datenqualität in Bezug auf Zuverlässigkeit und eine ausreichende Granularität verfügen, die für Verrechnungspreiszwecke erforderlich ist und aus bereits bestehenden Systemen extrahiert werden kann.

Unsere Studie hat gezeigt, dass jedoch nur 23 % der befragten Unternehmen ihre Intercompany-Transaktionen automatisch identifizieren können. Rund drei Viertel der Unternehmen müssen hierzu teilweise sehr aufwendige manuelle Schritte ausführen. Wie eingangs bereits erwähnt, ist dieses das Resultat fehlender klarer globaler Standards für Verrechnungspreise und eines zwar wachsenden, aber insgesamt noch unzureichenden Fokus auf dieses Thema innerhalb der Unternehmen. Das ist überraschend, insbesondere wenn man sich die Vorteile anschaut, die saubere und konsistente Daten im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen spielen.

Im Rahmen unserer Arbeit unterstützen wir Unternehmen bei den taktischen und strategischen Aspekten der Verrechnungspreise. Neben der Entwicklung konformer Verrechnungspreisdokumentationen helfen wir unseren Mandanten bei der Gestaltung, Analyse und Verbesserung von Prozessen und Betriebsmodellen und unterstützen sie bei der Auswahl und Einführung der am besten geeigneten Instrumente zur Steigerung der Effizienz. Die Steuerfunktionen, oder besser gesagt, die OTP-Funktionen von morgen benötigen Zugang zu konsistenten Daten auf Transaktionsebene, auf deren Genauigkeit sie vertrauen können. Wir unterstützen unsere Mandanten bei der Überprüfung der bereits bestehenden TP-Prozesse und -Systeme, geben klare Empfehlungen, um die individuellen Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen und unterstützen bei der Umsetzung.

Vielen Dank für diesen detaillierten und sehr spannenden Einblick in den Bereich „Daten“ im Operativen Transfer Pricing.