Leitsatz
Die Entscheidung über das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit erfordert im Bereich der Grenz- und Übergangsfälle besondere Sachkunde. Holt das Gericht in solchen Fällen kein Sachverständigengutachten ein, muss dies für die Verfahrensbeteiligten erkennbar sein. Die besondere Sachkunde des Gerichts muss sodann in den Urteilsgründen auch nachprüfbar dargelegt werden. Soweit sich dem Urteil vom 26.2.1987, IV R 105/85 (BStBl II 1987, 376) etwas anderes entnehmen lässt, hält der Senat daran nicht fest.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Ein ausgebildeter Grafiker entwarf Werbegrafiken und erstellte Konzepte für Messestände und Ausstellungen. Das FA behandelte die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb. Gegen die GewSt-Messbescheide erhob der Grafiker mit der Begründung Klage, er habe Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit und damit nicht der GewSt unterliegende Einkünfte erzielt. Für die Beurteilung seiner Arbeiten als Kunst beantragte der Grafiker die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens.
Das FG war der Meinung, selbst hinreichende Sachkunde zu besitzen, und wies die Klage ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens ab. Diese Verfahrensweise hatte das FG schon in der mündlichen Verhandlung angedeutet.
Entscheidung
Der BFH wies die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zurück. Es sei geklärt, unter welchen Umständen die Erstellung von Gebrauchskunst künstlerisch i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei. Dem FG sei auch kein Verfahrensfehler unterlaufen.
Hinweis
1. Die Entscheidung enthält keine Neuigkeiten hinsichtlich der ertragsteuerlichen Behandlung von Gebrauchskunst. Schon länger vertritt der BFH die Auffassung, die Herstellung von Gebrauchskunst führe nur dann zu Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit, wenn eine "gewisse Gestaltungshöhe" erreicht werde. Damit besteht ein Unterschied zur sog. zweckfreien Kunst, bei der eine besondere Gestaltungshöhe nicht verlangt wird. Zur Rechtfertigung dafür verweist der BFH darauf, dass Einkünfte aus zweckfreier Kunst tatsächlich nur dann erzielt werden dürften, wenn eine besondere Gestaltungshöhe erreicht sei. Es bedürfe deshalb keiner eigenständigen Prüfung dieses Merkmals.
2. Grund für die Veröffentlichung dieses Beschlusses waren die Ausführungen zu dem vom Grafiker gerügten Verfahrensfehler. Er hatte beanstandet, dass das FG kein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt, sondern sich selbst für sachkundig gehalten hatte.
a) Grundsätzlich bedarf es keines Sachverständigengutachtens, wenn das Gericht selbst hinreichende Sachkunde für die Beantwortung der betreffenden Frage besitzt. Dies wird bei der Qualifikation von Kunst allerdings nur ausnahmsweise der Fall sein. Eine solche Ausnahme hatte der BFH in seinem Urteil vom 26.2.1987, IV R 105/85 (BStBl II 1987, 376) angenommen, in dem es um die Qualifikation von Büttenreden als Kunst gegangen war. Der BFH hatte dem FG Köln damals zugebilligt, zu Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen zu haben und hierfür auch keine besondere Begründung geben zu müssen.
b) Mit dem hiesigen Beschluss macht der BFH deutlich, dass der Fall des Büttenredners nicht verallgemeinert werden darf. Vielmehr müsse ein Gericht im Einzelnen darlegen, warum es sich selbst für sachkundig halte.
Ob diesen Voraussetzungen im konkreten Streitfall genügt war, hatte der BFH allerdings nicht zu entscheiden. Denn der Kläger hätte nach Meinung des BFH einen solchen Fehler schon in der mündlichen Verhandlung rügen müssen. Dort hatte das FG bereits angedeutet, sich selbst für sachkundig zu halten.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 1.6.2006, IV B 200/04