Leitsatz
1. § 9 Nr. 1 Satz 5Nr. 1a GewStG ist auch dann anzuwenden, wenn der die Sondervergütung beziehende Gesellschafter nicht der Gewerbesteuer unterliegt.
2. Für Zwecke der zeitlichen Anwendungsbestimmung des § 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG i.d.F. des JStG 2009 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz 2GewStG kommt es in den Fällen, in denen die Vergütungsvereinbarung vor Begründung der Gesellschafterstellung getroffen worden ist, auf die Begründung der Gesellschafterstellung an.
3. § 35b Abs. 1 GewStG ermöglicht nur eine punktuelle Änderung des Gewerbesteuermessbescheids und erlaubt nicht die Korrektur von Rechtsfehlern.
Normenkette
§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a Sätze 1 und 2, § 35b Abs. 1 GewStG, § 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG a.F.
Sachverhalt
An der Klägerin, einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG mit dem Unternehmensgegenstand der Vermietung von Immobilien, waren in den Streitjahren 2013 bis 2015 neben der Komplementär-GmbH u.a. A, B und C beteiligt, die selbst nicht der GewSt unterlagen. B und C bezogen Arbeitslohn, A Darlehenszinsen und die Komplementär-GmbH eine Haftungsvergütung. C war schon als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt, aber erst seit 2010 auch deren Gesellschafter. Den Feststellungen einer Prüfung folgend ging das FA in geänderten GewSt-Messbescheiden davon aus, dass die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG wegen § 9 Nr. 1 Satz 5Nr. 1a GewStG auf die Gewinne zu beschränken sei, die sich ohne Tätigkeitsvergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergeben. Das FG (FG Köln, Gerichtsbescheid vom 25.3.2020, 12 K 1954/18, Haufe-Index 14310621) wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf. Für die Streitjahre 2014 und 2015 verwies er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG habe zwar zu Recht eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz 5Nr. 1a GewStG abgelehnt, sodass die an die Kommanditisten gezahlten Sondervergütungen aus der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auszuscheiden seien. Dies gelte auch im Hinblick auf den Kommanditisten C. Er sei zwar bereits vor dem 19.6.2008 als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt gewesen, jedoch erst im November 2010 Gesellschafter geworden. Da es nach den zeitlichen Anwendungsregelungen auf die (erstmalige) Vereinbarung bzw. die wesentliche Änderung der Vereinbarung über die Vergütung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nach dem 18.6.2008 ankomme, habe das FG zu Recht nicht auf den Abschluss des Arbeitsvertrags abgestellt, sondern auf die Fortsetzung des "Arbeitsverhältnisses" nach Begründung der Mitunternehmerstellung und damit auf die "Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft" i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 5Nr. 1a Satz 1 GewStG. Es fehlten aber noch Feststellungen dazu, ob die Haftungsvergütung der Komplementär-GmbH nach dem 18.6.2008 erstmals vereinbart bzw. ob die betreffende Vereinbarung nach diesem Zeitpunkt wesentlich geändert worden sei. Sollte dies nicht der Fall sein, genieße die Abrede als sog. Altvereinbarung Bestandsschutz. In Bezug auf den GewSt-Messbescheid für 2013 habe die Revision hingegen in vollem Umfang Erfolg. Soweit das FA die Sondervergütungen im streitgegenständlichen Änderungsbescheid erstmals der GewSt unterworfen hat, fehle es an einer Korrekturvorschrift. Die Änderung sei insbesondere nicht von § 35b Abs. 1 GewStG gedeckt, da diese Vorschrift nicht die Korrektur von Rechtsfehlern erlaube.
Hinweis
1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 5Nr. 1a GewStG gelten die Sätze 2 und 3 (sog. erweiterte Kürzung) nicht, soweit der Gewerbeertrag Vergütungen i.S.d. § 15 Ab. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG enthält, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat.
Diese Regelung ist auch dann anzuwenden, wenn der die Sondervergütung beziehende Gesellschafter nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Insoweit handelt es sich bei dem Besprechungsurteil um eine Parallelentscheidung zu BFH, Urteil vom 9.3.2023, IV R 25/20, BFH/NV 2023, 776, das bereits in BFH/PR 2023, 256 besprochen wurde.
2.§ 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG i.d.F. des JStG 2009 bzw. § 9 Nr. 1 Satz 5Nr. 1a Satz 2GewStG i.d.F. des KroatienAnpG enthalten Regelungen für die zeitliche Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a (Satz 1) GewStG. Danach kommt es für die Anwendung auf die (erstmalige) Vereinbarung bzw. die wesentliche Änderung der Vereinbarung über die Vergütung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStGnach dem 18.6.2008 an.
Wurde die Vergütungsvereinbarung vor Begründung der Gesellschafterstellung getroffen, kommt es danach für die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 5Nr. 1a GewStG darauf an, ob die Begründung der Gesellschafterstellung nach dem 18.6.2008 erfolgte.
3. Gemäß § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG ist der GewSt-Messbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn der ESt-Bescheid, der KSt-Bescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben...