Gestaltung des Anteilkaufvertrags im Hinblick auf die Erwerberrisiken
[Ohne Titel]
Dr. Martin Lohr, Notar
Das Interesse, eine Vorrats- oder Mantelgesellschaft zu erwerben, ist angesichts der Beschleunigung des Gründungsverfahrens (erst durch die Gründungserleichterungen des MoMiG, zuletzt durch die Möglichkeit der Onlinegründung) deutlich zurückgegangen. Gleichwohl sind diese Vorgänge der wirtschaftlichen Neugründung weiterhin praxisrelevant. Der Veräußerer muss die Gesellschaft nicht liquidieren, der Erwerber hat mit der Beurkundung eine bereits bestehende Gesellschaft erworben. Der Käufer trägt jedoch insbesondere bei einem Mantelerwerb erhebliche Risiken. Auch kann das Registergericht Anträge zurückweisen, wenn die besonderen Voraussetzungen der registerrechtlichen Versicherungen nicht erfüllt sind. Der Beitrag fasst die aktuellen Themen des Mantelerwerbs zusammen und schließt mit einem Formulierungsvorschlag ab.
1. Begriff der wirtschaftlichen Neugründung
Der Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung ist erfüllt, wenn
- entweder eine auf Vorrat gegründete GmbH (die bislang noch keinen Geschäftsbetrieb aufgenommen hat, sondern gezielt zum Zwecke der schnellen Verfügbarkeit einer Gesellschaft gegründet wurde) aktiviert wird, sog. Vorratskauf (zum Vorratskauf, insb. durch ausländische Beteiligte: Schmitz, notar 2018, 203)
- oder ein nach Einstellung oder Ruhen des Geschäftsbetriebs bestehender leerer Mantel zur neuen Geschäftsaufnahme verwendet wird (zu den Einzelheiten: Altmeppen, DB 2003, 2050; Peetz, GmbHR 2011, 178 [179]; zur Haftungsvermeidung bei Aktivierung einer Mantelgesellschaft: Werner, GmbHR 2010, 804; zur Erhaltung von Verlustvorträgen bei dieser Erwerbsform: Olbing, GmbH-StB 2021, 90), sog. Mantelkauf. Der Begriff "Mantelkauf" indiziert das Erfordernis eines Gesellschafterwechsels. Die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung gelten jedoch auch dann, wenn der bisherige Gesellschafter eine Abwicklungsgesellschaft im Liquidationsstadium reaktiviert, sofern diese zuvor die Liquidationsmaßnahmen ruhend gestellt hat (BGH v. 10.12.2013 – II ZR 53/12, GmbHR 2014, 317 = GmbH-StB 2014, 133 [Tomat]; Priester, GmbHR 2021, 1327).
2. Abgrenzung zur Umstrukturierung
Von der wirtschaftlichen Neugründung ist die "unschädliche" Umstrukturierung zu unterscheiden, bei der aufgrund eines entsprechenden Unternehmensplans
- der bisherige Geschäftsbetrieb eingestellt wird,
- begleitet von dem Start einer wirtschaftlichen Neuausrichtung
(BGH v. 18.1.2010 – II ZR 61/09, GmbHR 2010, 474 m. Anm. Ulrich = GmbH-StB 2010, 99 [Schwetlik]). Beachten Sie: Die Abgrenzung der beiden Tatbestände ist in der Praxis problematisch, zumal es keinen Mindestzeitraum für die Unterbrechung der unternehmerischen Tätigkeit gibt (hierzu Altmeppen, DB 2003, 2050 [2053]).
3. Folgen einer wirtschaftlichen Neugründung
Der Gläubigerschutz wird nach der Rechtsprechung durch entsprechende Anwendung der haftungsrechtlichen Gründungsvorschriften gewährleistet (BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, GmbHR 2012, 630 m. Anm. Giedinghagen/Rulf = GmbH-StB 2012, 174 [Schwetlik]; BGH v. 19.12.2002 – II ZB 12/02, GmbHR 2003, 227 m. Anm. Peetz; krit. Altmeppen, 11. Aufl. 2023, § 4 GmbHG Rz. 75, der demgegenüber eine Lösung über die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG und die Insolvenzantragspflicht befürwortet). Im Einzelnen:
- Offenlegung: Der Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung ist gegenüber dem Registergericht offenzulegen (BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, GmbHR 2012, 630 m. Anm. Giedinghagen /Rulf = GmbH-StB 2012, 174 [Schwetlik]; s. auch das Muster zur Registeranmeldung von Gustavus, Handelsregisteranmeldungen, 11. Aufl.2022, M 101.1).
- Versicherungen über das Stammkapital: Die Geschäftsführer haben entsprechend § 8 Abs. 2, 7 Abs. 2 und Abs. 3 GmbHG gegenüber dem Registergericht zu versichern, dass die Leistungen auf das Stammkapital bewirkt sind und der Gegenstand dieser Leistungen sich in ihrer freien Verfügung befindet. Bei einer unrichtigen Versicherung haftet der Geschäftsführer gegenüber der GmbH analog § 9a Abs. 1 GmbHG (hierzu BGH v. 12.7.2011 – II ZR 71/11, GmbHR 2011, 1032 = GmbH-StB 2011, 296 [Schwetlik]). Allerdings reicht es aus, wenn entsprechend § 7 Abs. 2 GmbHG ein Viertel der Stammeinlagen und mindestens die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals vorhanden sind, sofern die Satzung keine weitergehenden Einzahlungspflichten vorsieht (insoweit können keine strengeren Maßstäbe gelten als bei einer Neugründung; Bauer, ZNotP 2012, 248 [249]).
- Unterbilanzhaftung: Die Gesellschafter haben eine etwaige Unterbilanz zu beseitigen; andernfalls haften sie gegenüber den Gläubigern für die Fehlbeträge. Dies gilt auch dann, wenn eine wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Registergericht offengelegt wurde (OLG Düsseldorf v. 20.7.2012 – I -16 U 55/11, GmbHR 2012, 1135).
- Handelndenhaftung: Bei einer wirtschaftlichen Neugründung kommt eine Haftung der handelnden Personen entsprechend § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht, wenn die Geschäfte vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung aufgenommen worden sind und dem nicht alle Gesellschafter zugestim...