Leitsatz
Wird eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (GmbH) im Weg der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, ist für die Ermittlung des erzielbaren Nettoertrags auf die mögliche Gewinnausschüttung, also auf das Jahresergebnis der Gesellschaft, abzustellen, das auf die übertragenen Anteile entfällt. (Anschluss an den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12.5.2003, GrS 1/00, BStBl II 2004, 95, BFH-PR 2003, 451.)
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG
Sachverhalt
Der Vater des Klägers übertrug diesem im Jahr 1997 einen Geschäftsanteil an einer GmbH i.H.v. 69 % deren Stammkapitals. Als "Gegenleistung" hatte der Kläger seinem Vater auf dessen Lebenszeit eine wertgesicherte monatliche "Rente" i.H.v. 6.000 DM zu zahlen.
Das Finanzamt ließ lediglich den Ertragsanteil der wiederkehrenden Zahlungen i.H.v. 30 % zum Sonderausgabenabzug zu. Das FG gab der Klage, mit welcher der Kläger den vollen Abzug der wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last erstrebte, statt (vgl. EFG 2001, 1194). Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidung
Wiederkehrende Leistungen könnten nur dann als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abgezogen werden, wenn die hiermit zusammenhängende Übertragung des Vermögens als unentgeltlicher Vorgang anzusehen sei. Die wiederkehrenden Leistungen dürften sich nicht als Gegenleistung für das übertragene Vermögen darstellen. Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte wiederkehrende Leistungen seien dann Entgelt, wenn sie nicht aus den erzielbaren Nettoerträgen des übernommenen Vermögens bezahlt werden könnten.
Im vorliegenden Fall könnten die Versorgungsleistungen als dauernde Last abgezogen werden, weil die Zahlungen unstreitig aus den künftig anfallenden, ausschüttungsfähigen Erträgen des vom Kläger übernommenen GmbH-Anteils bestritten werden könnten.
Hinweis
Im Rahmen einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen können nach dem grundlegenden Beschluss des Großen Senats vom 12.5.2003, GrS 1/00, BFH-PR 2003, 451 vom Vermögensübernehmer nur dann als dauernde Last abgezogen werden, wenn sie aus den erzielbaren Nettoerträgen des übergebenen Vermögens gezahlt werden können. Im Fall der Übertragung eines (gewerblichen) Unternehmens gegen wiederkehrende Bezüge greifen nach dem genannten Beschluss des Großen Senats Beweiserleichterungen ein.
Hier besteht eine nur in seltenen Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung dafür, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Übertragung angenommen haben, der Betrieb werde auf Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betrieb tatsächlich vom Erwerber fortgeführt wird. Bei der Übertragung von GmbH-Anteilen kann in gleicher Weise verfahren werden, wenn sowohl Übergeber als auch Übernehmer als Geschäftsführer tätig waren bzw. sind.
In konsequenter Fortentwicklung dieser Grundsätze stellt das Besprechungsurteil für den Fall der Übertragung einer wesentlichen Beteiligung (69 %) an einer Familien-GmbH für die Frage der aus der übertragenen Beteiligung erzielbaren Nettoerträge nicht auf die tatsächlich ausgeschütteten, sondern auf die ausschüttbaren – einschließlich der thesaurierten – Gewinnanteile ab. Das ist m.E. folgerichtig, weil die unterbliebenen Ausschüttungen später nachgeholt werden können. Gewinnthesaurierungen steigern die Eigenkapitalbasis und damit die Ertragskraft der Gesellschaft, so dass die Versorgungsleistungen künftiger Jahre aus höheren Erträgen bedient werden können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.7.2004, X R 44/01