Leitsatz
Eine außerordentliche Beschwerde zum BFH ist seit dem In-Kraft-Treten des ZPO-Reformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl I 2001, 1887, 1902 ff.) für den Geltungsbereich der FGO nicht mehr statthaft.
Normenkette
§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO , § 321a ZPO , § 572 Abs. 1 ZPO , § 173 VwGO
Sachverhalt
Die Antragstellerin legte beim FA Einspruch gegen diverse Steuerbescheide ein und beantragte gleichzeitig deren AdV, Letzteres sowohl beim FA als auch beim FG.
Das FG wies den Aussetzungsantrag als unzulässig zurück (aus Gründen des § 69 Abs. 4 Sätze 1 und 2 FGO). Das FA habe über den dort gestellten Aussetzungsantrag mangels einer Begründung nicht entscheiden können und habe auch nicht mit der Vollstreckung begonnen. Die Antragstellerin legte daraufhin gegen den ablehnenden Beschluss des FG eine außerordentliche Beschwerde beim BFH ein und stellte einen Befangenheitsantrag gegen einen der mitwirkenden Richter. Das FG half der Beschwerde nicht ab.
Entscheidung
Der BFH erachtete die außerordentliche Beschwerde nach der Reform der ZPO als nicht (mehr) statthaft. Es ist seitdem nur noch der Weg über die Gegenvorstellung zum FG eröffnet.
Hinweis
Kommt Ihnen ein Beschluss, den das FG erlassen hat, inhaltlich gänzlich "spanisch" vor und halten Sie diesen für "greifbar gesetzwidrig", dann wird Ihr Rechtsgefühl rebellieren und werden Sie (oder Ihr Mandant) vielleicht Schwierigkeiten haben, sich damit abzufinden, dass es gegen einen solchen Beschluss kein Rechtsmittel zum BFH geben soll. So liegen die Dinge aber nach § 128 FGO bei etlichen, im Gesetz näher aufgeführten verfahrensbegleitenden Vorgängen (§ 128 Abs. 2 FGO). Bei anderen Beschlüssen des FG (AdV gem. § 69 Abs. 4 und 5 FGO; einstweilige Anordnung gem. § 114 Abs. 1 FGO) bedarf es nach § 128 Abs. 3 FGO der ausdrücklichen Beschwerdezulassung durch das FG entsprechend § 115 Abs. 2 FGO.
Bislang gab es dennoch einen Ausweg: Die außerordentliche Beschwerde zum BFH wegen besagter "greifbarer Gesetzwidrigkeit", und zwar solche wegen schwerwiegender Verletzung von Verfahrensrecht, aber auch solche des materiellen Rechts. Doch das ist, wie nunmehr feststeht, Vergangenheit: Nach In-Kraft-Treten des ZPO-Reformgesetzes vom 27.6. 2001 (BGBl I 2001, 1887, 1902 f.), welcher auch für die FGO Bedeutung zukommt, hat sich die Rechtslage nachhaltig geändert. Fortan ist nur noch die (formlose, aber auf einen Zweiwochenzeitraum befristete) Gegenvorstellung als Korrekturmöglichkeit des FG (als Gericht des ersten Rechtszugs) selbst statthaft. Diese Gegenvorstellung gründet auf § 321a ZPO und ist danach auf die Beseitigung schweren Verfahrensunrechts beschränkt. Hilft das FG der Gegenvorstellung nicht ab, bleibt nur der Weg zum BVerfG mittels Verfassungsbeschwerde.
Der I. Senat des BFH ist mit diesem Beschluss auf jenen Pfad eingeschwenkt, der kürzlich bereits vom IV. Senat beschritten worden ist, nämlich in dessen Beschluss vom 5.12.2002, IV B 190/02. Dazu seien Ihnen die Praxis-Hinweise aus der Feder von Wendt zur Lektüre empfohlen (BFH-PR 2003, 155).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 29.1.2003, I B 114/02