1 Systematische Einordnung

Im Rahmen des OECD-Projekts "Base Eerosion and Profit Shifting (BEPS)" wurde auch diskutiert, inwieweit durch neue Instrumente eine bessere Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgen kann. Die Europäische Union hat diese Diskussion im Rahmen der am 10.10.2017 veröffentlichten EU-Richtlinie über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der EU[1] aufgegriffen. Hiermit möchte die EU ihre Erkenntnisse dokumentieren, dass die Bekämpfung von Steuervermeidung mit umfassenden, effektiven und nachhaltigen Mechanismen zur Streitbeilegung einhergehen sollte.[2] Da es sich um eine Richtlinie der EU handelt, war diese von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Inhaltlich geht der Anwendungsbereich über die Schiedsverfahrenskonvention der EU hinaus, die sich lediglich auf Fragen der Gewinnabgrenzung beschränkt. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben durch das "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1852" v. 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union v. 10.12.2019 (EU-DBA-SBG)[3] in nationales Recht überführt.

[1] Vgl. Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates v. 10.10.2017, ABl. EU L 265 v. 14.10.2017, 1.
[2] Vgl. Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates v. 10.10.2017, vor Art. 1, Abs. 4.
[3] Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1852 v. 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der EU v. 10.12.2019 (BGBl I 2019, 2103); s. zum Verfahrensablauf etwa Hirschvogel/Ullmann, Ubg 2021, 500.

2 Inhalt

Mit der Streitbeilegungsrichtlinie soll den Steuerpflichtigen zur Beseitigung von Streitigkeiten über potenzielle Doppelbesteuerungen ein neues Verfahren geschaffen werden. Am Ende dieses Verfahrens steht zwingend eine Entscheidung der zuständigen Behörden der von der Streitfrage betroffenen Mitgliedstaaten.

Das Streitbeilegungsverfahren umfasst insgesamt drei Phasen:

Die erste Phase ist die Einreichung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die betroffene Person über eine Streitfrage. Dies bedeutet, der von einem Doppelbesteuerungssachverhalt betroffene Steuerpflichtige stellt den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens. Die zuständigen Behörden haben über die Zulassung dieses Antrags, der sog. Streitbeilegungsbeschwerde, zu entscheiden. Entscheiden die zuständigen Behörden nicht einheitlich über die Zulassung des Antrags, kann ein Beratender Ausschuss über die Frage angerufen werden, ob die Streitbeilegungsbeschwerde zuzulassen oder zurückzuweisen ist.

Die zweite Phase ist das Verständigungsverfahren nach Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde. Die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten versuchen eine einvernehmliche Lösung des Doppelbesteuerungssachverhalts zu erzielen.

Die dritte Phase des Verfahrens ist die Schiedsverfahrensphase. Diese schließt sich auf Antrag des Steuerpflichtigen an die Verständigungsverfahrensphase an, wenn die zuständigen Behörden sich nicht innerhalb eines Zeitraumes von längstens drei Jahren über eine Lösung des Doppelbesteuerungssachverhalts verständigen konnten. In der Schiedsverfahrensfrage wird die Streitfrage einem Beratenden Ausschuss zur Stellungnahme vorgelegt. Der Beratende Ausschuss gibt eine Stellungnahme dazu ab, wie die Streitfrage zu lösen ist.

Das Streitbeilegungsverfahren endet mit der abschließenden Entscheidung der zuständigen Behörden darüber, wie die Streitfrage zu lösen ist. Die zuständigen Behörden können auch von der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses abweichen. Treffen die zuständigen Behörden innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten keine abschließende Entscheidung, gilt die abschließende Entscheidung als mit dem Inhalt der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses als vereinbart. Stimmt der Steuerpflichtige der abschließenden Entscheidung über die Streitfrage zu und verzichtet er insofern auf Rechtsbehelfe, sind die fraglichen Steuerbescheide des Steuerpflichtigen entsprechend zu ändern. Das deutscheUmsetzungsgesetz folgt den Vorgaben der Richtlinie.

3 Praxisfragen

Am 27.8.2021 veröffentliche das BMF eine Neufassung des Merkblatts zu internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren (Streitbeilegungsverfahren) auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.[1] Das Schreiben ersetzt das bisherige Merkblatt[2] und wartet inhaltlich mit interessanten Aussagen zu allgemeinen Aspekten von Streitbeilegungsverfahren sowie mit Ausführungen zu den Möglichkeiten nach dem neuen EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streitbeilegungsgesetz (EU-DBA-SBG) auf.

4 Beratungshinweise

Dieses Instrument steht neben anderen Möglichkeiten, die der Steuerpflichtig nutzen kann, um eine sonst drohende Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dies gilt z. B. auch für ein Einspruch- bzw. Klageverfahren nach Maßgabe einer der Rechtsordnungen. Eine solche Vorgehensweise ist dann sinnvoll, wenn die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens als besser bewertet werden.

Literaturtipps

B...

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