Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbringung von ausschließlich Busbeförderungsleistungen an Reisebüros. Mehrwertsteuerrichtlinie. Sonderregelung für die Besteuerung von Reisebüros
Normenkette
EuGH-VerfO Art. 104
Beteiligte
Finanční ředitelství pro hlavní město Prahu |
Tenor
Ein Beförderungsunternehmen, das lediglich die Beförderung von Personen durchführt, indem es an Reisebüros Busbeförderungsleistungen erbringt, und das keine weiteren Dienstleistungen wie die Unterbringung, eine Reiseführer- oder eine Beratungstätigkeit erbringt, tätigt keine Umsätze, die unter die Sonderregelung für Reisebüros nach Art. 306 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem fallen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 28. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Mai 2011, in dem Verfahren
Star Coaches s. r. o.
gegen
Finanční ředitelství pro hlavní město Prahu
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten U. Lõhmus sowie der Richter A. Arabadjiev und C. G. Fernlund (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
gemäß Art. 104 § 3 Art. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,
nach Anhörung der Generalanwältin
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 306 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Star Coaches s. r. o. (im Folgenden: Star Coaches) und dem Finanční ředitelství pro hlavní město Prahu (Steuerdirektion der Hauptstadt Prag [Tschechische Republik]) wegen eines gegen das Unternehmen ergangenen Mehrwertsteuerbescheids für den Monat Januar 2008.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 306 in Titel XII Kapitel 3 („Sonderregelung für Reisebüros”) der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten wenden auf Umsätze von Reisebüros die Mehrwertsteuer-Sonderregelung dieses Kapitels an, soweit die Reisebüros gegenüber dem Reisenden in eigenem Namen auftreten und zur Durchführung der Reise Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen.
Diese Sonderregelung gilt nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe c anzuwenden ist.
(2) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten Reiseveranstalter als Reisebüro.”
Rz. 4
Art. 307 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Die zur Durchführung der Reise vom Reisebüro unter den Voraussetzungen des Artikels 306 bewirkten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden.
Die einheitliche Dienstleistung wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat.”
Rz. 5
Art. 308 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Für die von dem Reisebüro erbrachte einheitliche Dienstleistung gilt als Steuerbemessungsgrundlage und als Preis ohne Mehrwertsteuer im Sinne des Artikels 226 Nummer 8 die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro für die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen.”
Rz. 6
Art. 310 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Die Mehrwertsteuerbeträge, die dem Reisebüro von anderen Steuerpflichtigen für die in Artikel 307 genannten Umsätze in Rechnung gestellt werden, welche dem Reisenden unmittelbar zugute kommen, sind in keinem Mitgliedstaat abziehbar oder erstattungsfähig.”
Tschechisches Recht
Rz. 7
§ 89 („Sonderregelung für Reisedienstleistungen”) des Gesetzes Nr. 235/2004 über die Mehrwertsteuer (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) lautete in der 2008 geltenden Fassung:
„(1) Die Sonderregelung ist vom Erbringer einer Reisedienstleistung, der gegenüber einem Kunden bei der Erbringung von Reisedienstleistungen im eigenen Namen auftritt, anzuwenden.
(2) Für die Zwecke dieses Gesetzes ist
- ‚Erbringer einer Reisedienstleistung’ der Steuerpflichtige, der dem Kunden eine Reisedienstleistung erbringt,
- ‚Kunde’ die Person, gegenüber der die Reisedienstleistung erbracht wird,
- ‚Reisedienstleistung’ eine Dienstleistung an einen Kunden, die eine Kombination von Tourismusleistungen und gegebenenfalls Gegenständen umfasst, wenn einzelne Tourismusleistungen und Gegenstände von anderen Steuerpflichtigen erworben werden; die Erbringung einer Reisedienstleistung gilt als Erbringung einer einzigen Dienstleistung, auch wenn ...