Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Begriff ‚nationales Gericht’. Kriterien. Procura della Repubblica di Trento (Staatsanwaltschaft Trient, Italien). Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

 

Normenkette

AEUV Art. 267

 

Beteiligte

Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster

XK

 

Tenor

Das von der Procura della Repubblica di Trento (Staatsanwaltschaft Trient, Italien) mit Entscheidung vom 15. Januar 2020 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Procura della Repubblica di Trento (Staatsanwaltschaft Trient, Italien) mit Entscheidung vom 15. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Januar 2020, in dem Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung betreffend

XK,

Beteiligter:

Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Aiello und E. Figliolia, avvocati dello Stato,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und F. Halabi als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A. Pimenta, D. Capinha, P. Barros da Costa und L. Medeiros als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. März 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. 2014, L 130, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Ersuchens um Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung in Italien, die vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt für Steuerstrafsachen Münster) in Bezug auf XK erlassen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/41 lautet:

„Diese Richtlinie erfasst aufgrund ihres Anwendungsbereichs einstweilige Maßnahmen nur im Hinblick auf die Beweiserhebung. In diesem Zusammenhang sei betont, dass Gegenstände, einschließlich finanzieller Vermögenswerte, im Laufe des Strafverfahrens verschiedenen vorläufigen Maßnahmen unterliegen können, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Beweiserhebung, sondern auch im Hinblick auf die Einziehung. Die Unterscheidung zwischen den beiden Zielen vorläufiger Maßnahmen ist nicht immer deutlich und das Ziel der vorläufigen Maßnahme kann sich im Laufe des Verfahrens ändern. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass weiterhin für eine reibungslose Beziehung zwischen den verschiedenen Instrumente[n], die auf diesem Gebiet anwendbar sind, gesorgt wird. Darüber hinaus sollte – aus demselben Grund – die Beurteilung, ob der Gegenstand als Beweismittel zu verwenden ist und daher einer [Europäischen Ermittlungsanordnung] unterliegen sollte, Sache der Anordnungsbehörde sein.”

Rz. 4

Art. 1 („Die Europäische Ermittlungsanordnung und die Verpflichtung zu ihrer Vollstreckung”) dieser Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:

„(1) Eine Europäische Ermittlungsanordnung (im Folgenden ‚EEA’) ist eine gerichtliche Entscheidung, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats (‚Anordnungsstaat’) zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahme(n) in einem anderen Mitgliedstaat (‚Vollstreckungsstaat’) zur Erlangung von Beweisen gemäß dieser Richtlinie erlassen oder validiert wird.

(2) Die Mitgliedstaaten vollstrecken jede EEA nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß dieser Richtlinie.”

Rz. 5

Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

c) ‚Anordnungsbehörde’

i) einen Richter, ein Gericht, einen Ermittlungsrichter oder einen Staatsanwalt, der/das in dem betreffenden Fall zuständig ist, oder

ii) jede andere vom Anordnungsstaat bezeichnete zuständige Behörde, die in dem betreffenden Fall in ihrer Eigenschaft als Ermittlungsbehörde in einem Strafverfahren nach nationalem Recht für die Anordnung der Erhebung von Beweismitteln zuständig ist. Zudem wird die EEA vor ihrer Übermittlung an die Vollstreckungsbehörde von einem Richter, einem Gericht, einem Ermittlungsrichter oder einem Staatsanwalt im Anordnungsstaat validiert, nachdem dieser bzw. dieses überprüft hat, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer EEA nach dieser Richtlinie, insbesondere die Voraussetzungen des...

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