Entscheidungsstichwort (Thema)
Passiver Veredelungsverkehr, Nachweis, dass Veredelungserzeugnisse aus Waren der vorübergehenden Ausfuhr hergestellt wurden, muss zweifelsfrei sein
Leitsatz (amtlich)
1. Es widerspricht den Artikeln 145 bis 151 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften nicht, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Waren bei ihrer vorübergehenden Ausfuhr aus dem Gemeinschaftsgebiet nach dem Verfahren der passiven Veredelung unter einer irrigen Tarifposition angemeldet hat, auch ohne formelle Änderung der Anmeldung der vorübergehenden Ausfuhr den Nachweis erbringt, dass die irrige Anmeldung keine wirklichen Folgen für das reibungslose Funktionieren des genannten Verfahrens im Sinne des Artikels 150 Absatz 2 dieser Verordnung hatte.
2. Ein derartiger Nachweis muss die zweifelsfreie Feststellung ermöglichen, dass die Veredelungserzeugnisse aus den Waren der vorübergehenden Ausfuhr hergestellt wurden.
3. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des Ausgangsverfahrens festzustellen, ob der Wirtschaftsteilnehmer diesen Nachweis erbracht hat.
4. Gegebenenfalls kann der Betrag der Einfuhrabgaben, die auf die Waren der vorübergehenden Ausfuhr nach ihrer zutreffenden Tarifposition zu erheben wären, bei der Überführung der Veredelungserzeugnisse in den zollrechtlich freien Verkehr abgezogen werden.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 145 bis 151
Beteiligte
Receveur principal des Douanes francaises Villepinte |
Verfahrensgang
Tribunal d' instance de Metz (Frankreich) (Beschluss vom 08.10.2001) |
Tatbestand
Zollkodex der Gemeinschaften und Durchführungsverordnung - Passiver Veredelungsverkehr - Befreiung von Eingangsabgaben auf Veredelungserzeugnisse - Abzugsfähiger Betrag bei falscher Angabe von Tarifpositionen in der Anmeldung der vorübergehenden Warenausfuhr - Versäumnis ohne wirkliche Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens des passiven Veredelungsverkehrs
In der Rechtssache C-411/01
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal d'instance Metz (Frankreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
GEFCO SA
gegen
Receveur principal des douanes
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 145 bis 151 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter P. Jann und R. Rosas (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der GEFCO SA, vertreten durch F. Goguel, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A. Colomb als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes, J. Serra de Andrade und Â. Seiça Neves als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Tricot als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der GEFCO SA, vertreten durch F. Goguel, der französischen Regierung, vertreten durch A. Colomb, und der Kommission, vertreten durch B. Stromsky und X. Lewis als Bevollmächtigte, in der Sitzung vom 27. November 2002,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. März 2003
folgendes
Urteil
1.
Das Tribunal d'instance Metz hat mit Beschluss vom 8. Oktober 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 145 bis 151 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: ZK oder Zollkodex) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Zollspediteurin GEFCO SA (im Folgenden: Klägerin) und der Zollverwaltung wegen einer Zollschuld, die bei einem Vorgang der passiven Veredelung im Dreiecksverkehr entstanden ist.
Rechtlicher Rahmen
3.
Artikel 65 ZK sieht vor:
Dem Anmelder wird auf Antrag bewilligt, eine oder mehrere Angaben in der Anmeldung zu berichtigen, nachdem diese von den Zollbehörden angenommen worden ist. Die Berichtigung darf nicht zur Folge haben, dass sich die Anmeldung auf andere als die ursprünglich angemeldeten Waren bezieht.
Eine Berichtigung wird jedoch nicht mehr zugelassen, wenn der Antrag gestellt wird, nachdem die Zollbehörden
…
c) die Waren dem Anmelder bereits überlassen haben.
4.
Artikel 78 ZK - Nachträgliche Prüfung der Anmeldungen - bestimmt:
(1) Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen.
…
(3) Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen...