Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollkodex, Entstehung der Zollschuld, unrichtige Bezeichnung angemeldeter Waren
Leitsatz (amtlich)
1. Waren, bei deren Gestellung eine summarische Anmeldung abgegeben und ein externes gemeinschaftliches Versandpapier ausgefertigt wurde, wurden nicht vorschriftsmäßig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, wenn für sie in den bei den Zollbehörden eingereichten Unterlagen eine unrichtige Bezeichnung angegeben wurde.
2. Die Zollschuld für Waren, die unter einer unrichtigen Bezeichnung gestellt und angemeldet wurden, entsteht gemäß Artikel 202 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Umstände des Augangsverfahrens zu prüfen, ob die Person, die die summarische Anmeldung oder die Zollanmeldung eingereicht hat, wegen der Angabe einer unrichtigen Bezeichnung den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Ware gesetzt hat . Wenn dies nicht der Fall ist, muss das vorlegende Gericht prüfen, ob die betreffende Person durch die Angabe einer unrichtigen Bezeichnung an dem vorschriftswidrigen Verbringen der Waren beteiligt war, obwohl sie wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass dieses vorschriftswidrig war.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 202
Beteiligte
Verfahrensgang
Hof van Beroep te Antwerpen (Belgien) (Entscheidung vom 07.05.2003) |
Tatbestand
„Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Gestellung der Waren ‐ Begriff ‐ Auswirkungen einer Zollanmeldung ‐ Unter der Bezeichnung „Kochgerät‘ angemeldete Zigaretten ‐ Entstehung einer Einfuhrzollschuld ‐ Zollschuldner“
In der Rechtssache C-195/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hof van Beroep Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 7. Mai 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2003, in dem Verfahren
Ministerie van Financiën
gegen
Merabi Papismedov u. a.,
vertreten durch:
KBC Lease Belgium NV,
Volvo Truck Finance Belgium NV,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten J.-P. Puissochet in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter S. von Bahr und U. Lõhmus (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐
von M. Papismedov, vertreten durch E. Gevers, advocaat,
‐
der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigte,
‐
der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte,
‐
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis als Bevollmächtigten im Beistand von F. Tuytschaever, advocaat,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. September 2004,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 202 bis 204 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1; im Folgenden: Zollkodex).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministerie van Financiën einerseits und den Herren Papismedov, Geldof, Ben-Or, R. Peer, M. Peer, Tavdidischvili, Janssens, Hoste, Decock und Joris, Frau Vanbelleghem sowie der Transocean System Transport BVBA und der United Logistic Partners BVBA andererseits über eine Schmuggeleinfuhr von Waren durch Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Die Begriffe „zollamtliche Überwachung“ und „Gestellung der Waren“ sind in Artikel 4 Nummern 13 bzw. 19 des Zollkodex definiert. Der erste bezeichnet „allgemeine Maßnahmen der Zollbehörden, um die Einhaltung des Zollrechts und gegebenenfalls der sonstigen für Waren unter zollamtlicher Überwachung geltenden Vorschriften zu gewährleisten“. Der zweite bezeichnet „die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden“.
4
Titel III des Zollkodex enthält die Vorschriften, die für in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren gelten, bis diese eine zollrechtliche Bestimmung erhalten haben. Das Verbringen der Waren als solches und ihre Gestellung werden in Kapitel 1, Artikel 37 bis 39, und in Kapitel 2, Artikel 40 bis 42, des Zollkodex geregelt. Die summarische Anmeldung und das Abladen der gestellten Waren wiederum werden in Kapitel 3, Artikel 43 bis 47, des Zollkodex geregelt.
5
Artikel 38 des Zollkodex bestimmt:
„(1) Die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren sind vom Verbringer unverzüglich und gegebenenfalls unter Benutzung des von den Zollbehörden bezeichneten Verkehrsweges nach Maßgabe der von diesen Behörden festgelegten Einzelheiten zu befördern:
a)
zu der von den Zollbehörden bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von diesen Behörden beze...