Erlass mit Übergangsregelung zur Anwendung dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferung, Begriff der Lieferung, Leasing, Finanzierungsleasing mit Kaufoption, Kfz-Leasing
Leitsatz (amtlich)
Der in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verwendete Ausdruck „Mietvertrag, der regelmäßig die Klausel enthält, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird“ ist dahin auszulegen, dass er auf einen Standard-Mietvertrag mit Kaufoption anzuwenden ist, wenn aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen davon ausgegangen werden kann, dass, wenn der Vertrag bis zum Ende seiner Laufzeit ausgeführt wird, die Optionsausübung zum gegebenen Zeitpunkt als die einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 14 Abs. 2 Buchst. b
Beteiligte
Mercedes-Benz Financial Services UK |
Commissioners for HM Revenue and Customs |
Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd |
Verfahrensgang
Court of Appeal (Vereinigtes Königreich) (Beschluss vom 29.01.2016; ABl. EU 2016, Nr. C 191/16) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 14 Abs. 2 Buchst. b ‐ Lieferung von Gegenständen ‐ Kraftfahrzeuge ‐ Finanzierungsleasingvertrag mit Kaufoption“
In der Rechtssache C-164/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Abteilung für Zivilsachen], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 29. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 2016, in dem Verfahren
Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs
gegen
Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd, vertreten durch L. Allen, Barrister, und K. Prosser, QC,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Brown, J. Kraehling, S. Simmons und D. Robertson als Bevollmächtigte im Beistand von O. Thomas, Barrister,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Mai 2017
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd und den Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs (Steuer- und Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs) (im Folgenden: Steuerverwaltung) über die Frage der Qualifizierung der gemäß einem Standardvertrag erfolgenden Übergabe von Kraftfahrzeugen als mehrwertsteuerpflichtige Umsätze.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 14 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
(2) Neben dem in Absatz 1 genannten Umsatz gelten folgende Umsätze als Lieferung von Gegenständen:
a) die Übertragung des Eigentums an einem Gegenstand gegen Zahlung einer Entschädigung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes;
b) die Übergabe eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags, der die Vermietung eines Gegenstands während eines bestimmten Zeitraums oder den Ratenverkauf eines Gegenstands vorsieht, der regelmäßig die Klausel enthält, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird;
c) die Übertragung eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission.
(3) Die Mitgliedstaaten können die Erbringung bestimmter Bauleistungen als Lieferung von Gegenständen betrachten.“
Rz. 4
Nach Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt als „Dienstleistung“ jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.
Rz. 5
Art. 63 dieser Richtlinie sieht vor:
,,Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“
Rz. 6
Art. 64 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Geben Lieferungen von Gegenständen, die nicht die Vermietung eines Gegenstands oder den Ratenverkauf eines Gegenstands im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe b betreffen, und Dienstleistungen zu aufeinander folgenden Abrechnu...