Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmuggelware, Tabak, Besteuerung von Schmuggelware, Bestimmung des Mitgliedstaats der Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Art. 7 Abs. 1 und 2 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren in der Fassung der Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 sind dahin auszulegen, dass im Fall der illegalen Verbringung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und ihrer Beförderung ohne das von Art. 7 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgeschriebene Begleitdokument in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie von den zuständigen Behörden entdeckt werden, nicht auch die Durchfuhrmitgliedstaaten befugt sind, beim Lenker eines Lkw, der diese Beförderung durchgeführt hat, Verbrauchsteuer zu erheben, weil er diese Waren in ihrem Hoheitsgebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten hat.
Normenkette
EWGRL 12 /92 Art. 7 Abs. 1-2, Art. 9 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 28.03.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 235/3) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Richtlinie 92/12/EWG ‐ Allgemeines System für verbrauchsteuerpflichtige Waren ‐ Besteuerung geschmuggelter Ware ‐ Überführung von Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats und Beförderung in einen anderen Mitgliedstaat ‐ Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ‐ Recht des Durchgangsstaats, diese Waren zu besteuern“
In der Rechtssache C-175/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. März 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 10. April 2014, in dem Verfahren
Ralph Prankl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wasmeier und R. Lyal als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 2 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 390, S. 124) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 92/12).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Lkw-Fahrer Ralph Prankl und dem Zollamt Wien über einen Bescheid des Zollamtes, der Herrn Prankl zur Entrichtung von Verbrauchsteuer auf Tabakwaren verpflichtete.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 5 bis 7 der Richtlinie 92/12 lauten wie folgt:
„Jede Warenlieferung, jeder Besitz von zur Lieferung bestimmten Waren oder jede Bereitstellung von Waren für den Bedarf eines Wirtschaftsbeteiligten, der eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, oder einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, lässt den Verbrauchsteueranspruch in diesem anderen Mitgliedstaat entstehen.
Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erwerben und die sie selbst befördern, sind die Steuern im Mitgliedstaat des Erwerbs zu erheben.
Die Mitgliedstaaten müssen eine Reihe von Kriterien berücksichtigen, damit festgestellt werden kann, ob der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht privaten, sondern kommerziellen Zwecken dient.“
Rz. 4
Art. 6 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Verbrauchsteuer entsteht mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder mit der Feststellung von Fehlmengen gemäß Artikel 14 Absatz 3.
Als Überführung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr gelten
a) jede auch unrechtmäßige Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung;
b) jede auch unrechtmäßige Herstellung dieser Erzeugnisse außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;
c) jede auch unrechtmäßige Einfuhr dieser Waren, sofern sie nicht einem Verfahren der Steueraussetzung unterstellt worden sind.
(2) Die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der maßgebende Verbrauchsteuersatz richten sich nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien...