Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsausgabenabzug, Angemessenheit von Betriebsausgaben, Zahlung für Dienstleistungen einer gebietsfremden Gesellschaft, Zahlungsempfänger, der nicht einer Körperschaftsteuer unterliegt

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der Vergütungen für Leistungen oder Dienstleistungen, die ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger einer gebietsfremden Gesellschaft zahlt, nicht als abzugsfähige Betriebsausgaben gelten, wenn diese Gesellschaft im Mitgliedstaat ihres Sitzes keiner Körperschaftsteuer oder für solche Einkünfte einem erheblich vorteilhafteren Besteuerungssystem unterliegt als dem, dem diese Einkünfte im erstgenannten Mitgliedstaat unterliegen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass sich diese Vergütungen auf tatsächliche und ehrliche Geschäfte beziehen und nicht über den üblichen Rahmen hinausgehen, während derartige Vergütungen nach der allgemeinen Regelung als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, wenn sie erforderlich sind, um steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen oder zu behalten, und wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass sie tatsächlich und in der angegebenen Höhe angefallen sind.

 

Normenkette

EGVtr Art. 49

 

Beteiligte

SIAT

Société d investissement pour l agriculture tropicale SA (SIAT)

État Belge

 

Verfahrensgang

Cour de Cassation (Belgien) (Urteil vom 18.06.2010; ABl. EU 2010, Nr. C 246/44)

 

Tatbestand

„Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Steuerrecht ‐ Abzug der für die Vergütung von Dienstleistungen aufgewandten Kosten als Betriebsausgaben ‐ Ausgaben für einen Dienstleister, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er keiner Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer oder einem erheblich vorteilhafteren Besteuerungssystem unterliegt ‐ Abzugsfähigkeit unter der Voraussetzung des Nachweises, dass die Dienstleistung tatsächlich und ehrlich erbracht wurde und dass die entsprechende Vergütung im normalen Rahmen liegt ‐ Beschränkung ‐ Rechtfertigung ‐ Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung ‐ Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung ‐ Ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten ‐ Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C-318/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Belgien) mit Entscheidung vom 18. Juni 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2010, in dem Verfahren

Société d’investissement pour l’agriculture tropicale SA (SIAT)

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Société d’investissement pour l’agriculture tropicale SA (SIAT), vertreten durch D. Garabedian und E. Traversa, avocats,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux und M. Jacobs als Bevollmächtigte,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,

‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, J. Menezes Leitão und S. Jaulino als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und J.-P. Keppenne als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. September 2011

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 EG.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Société d’investissement pour l’agriculture tropicale SA (im Folgenden: SIAT) und dem belgischen Staat, vertreten durch den Finanzminister, wegen dessen Weigerung, den Betrag von 28 402 251 BEF, den das genannte Unternehmen in seinem Rechnungsabschluss vom 31. Dezember 1997 als Verbindlichkeit ausgewiesen hatte, als Betriebsausgabe in Abzug zu bringen.

Belgisches Recht

Rz. 3

In Art. 26 des Code des impôts sur les revenus 1992 (Einkommensteuergesetzbuch von 1992) (im Folgenden: CIR 1992) heißt es:

„Gewährt ein in Belgien ansässiges Unternehmen außergewöhnliche oder unentgeltliche Vorteile, werden diese unbeschadet der Anwendung des Art. 49 und vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 54 zu seinen eigenen Gewinnen hinzugerechnet, es sei denn, die Vorteile werden bei der Feststellung der steuerpflichtigen Einkünfte der Empfänger berücksichtigt.

Ungeachtet der in Abs. 1 erwähnten Einschränkung werden den eigenen Gewinnen außergewöhnliche oder unentgeltliche Vorteile hinzugerechnet, die das Unternehmen

(2) einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 227 oder einer ausländischen Niederlassung gewährt, die nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem sie ansässig sind, dort keiner Einkommen-...

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