Entscheidungsstichwort (Thema)
Gruppenbesteuerung, Firmenwertabschreibung, Verbot der Firmenwertabschreibung, Erwerb einer Kapitalbeteiligung
Leitsatz (amtlich)
Art. 49 AEUV steht einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, die es im Rahmen der Gruppenbesteuerung einer Muttergesellschaft erlaubt, beim Erwerb einer Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft, die Mitglied einer solchen Gruppe wird, eine Firmenwertabschreibung von bis zu 50 % der Anschaffungskosten der Beteiligung vorzunehmen, ihr dies beim Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft aber versagt.
Normenkette
AEUV Art. 49
Beteiligte
Bundesfinanzgericht, Außenstelle Linz |
Verfahrensgang
VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 30.01.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 142/14) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Art. 49 AEUV, 54 AEUV, 107 AEUV und 108 Abs. 3 AEUV ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Staatliche Beihilfen ‐ Gruppenbesteuerung ‐ Erwerb einer Beteiligung am Kapital einer Tochtergesellschaft ‐ Firmenwertabschreibung ‐ Begrenzung auf Beteiligungen an inländischen Gesellschaften“
In der Rechtssache C-66/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 30. Januar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Februar 2014, in dem Verfahren
Finanzamt Linz
gegen
Bundesfinanzgericht, Außenstelle Linz,
Beteiligte:
IFN-Holding AG,
IFN Beteiligungs GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der IFN-Holding AG und IFN Beteiligungs GmbH, vertreten durch A. Damböck und B. Stürzlinger, Steuerberater,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Bauer als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und R. Sauer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. April 2015
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 AEUV, 54 AEUV, 107 AEUV und 108 Abs. 3 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Linz (im Folgenden: Finanzamt) und dem Bundesfinanzgericht, Außenstelle Linz (vormals: Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Linz), wegen eines Bescheids des Finanzamts, mit dem einer Gesellschaft, die eine Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft erworben hatte, bei der Gruppenbesteuerung die Firmenwertabschreibung untersagt wurde.
Österreichisches Recht
Rz. 3
Im österreichischen Recht sieht das Körperschaftsteuergesetz vom 7. Juli 1988 (BGBl. Nr. 401/1988) in seiner durch das Steuerreformgesetz 2005 (BGBl. I Nr. 57/2004) geänderten Fassung (im Folgenden: Körperschaftsteuergesetz 1988) in § 9 eine Regelung zur Gruppenbesteuerung vor. Im Rahmen dieser Regelung kann sich eine Gesellschaft mit ihren Tochtergesellschaften und weiteren Untergesellschaften, soweit sie daran jeweils zu mindestens 50 % beteiligt ist, zu einer Gruppe zusammenschließen. In diesem Fall werden die steuerlichen Ergebnisse (Gewinne und Verluste) der zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften als solche der Obergesellschaft (Gruppenträger) angesehen und bei dieser versteuert.
Rz. 4
§ 9 Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sieht vor:
„… Im Falle der Anschaffung einer Beteiligung … durch ein Gruppenmitglied bzw. den Gruppenträger oder eine für eine Gruppenbildung geeignete Körperschaft an einer betriebsführenden unbeschränkt steuerpflichtigen Beteiligungskörperschaft …, ausgenommen unmittelbar oder mittelbar von einem konzernzugehörigen Unternehmen bzw. unmittelbar oder mittelbar von einem einen beherrschenden Einfluss ausübenden Gesellschafter, ist ab Zugehörigkeit dieser Körperschaft zur Unternehmensgruppe beim unmittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger eine Firmenwertabschreibung in folgender Weise vorzunehmen:
‐ Als Firmenwert gilt der dem Beteiligungsausmaß entsprechende Unterschiedsbetrag zwischen dem handelsrechtlichen Eigenkapital der Beteiligungskörperschaft zuzüglich stiller Reserven im nicht abnutzbaren Anlagevermögen und den steuerlich maßgebenden Anschaffungskosten, höchstens aber 50 % dieser Anschaffungskosten. Der abzugsfähige Firmenwert ist gleichmäßig auf 15 Jahre verteilt abzusetzen.
…
‐ Ergibt sich aufgrund der Anschaffung der Beteiligung ein negativer Firmenwert, ist dieser … gewinnerhöhend anzusetzen.
‐ Die steuerlich berücksichtigten Fünfzehntelbeträge vermindern oder erhöhen den steuerlich maßgeblichen Buchwert.“
Rz. 5
§ 10 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 betreffend internationale Schachtelbeteiligungen, bestimmt in seinen Abs. 2 und 3:
„(2) Von der Körperschaftsteuer sind Gewinnanteile jeder Art aus internationalen Schachtelbeteiligungen befreit. Eine ...