Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Lieferung von Grundstücken, auf denen sich ausschließlich das Fundament für Wohngebäude befindet. Einstufung. Begriffe ‚Baugrundstück’ und ‚Gebäude oder Gebäudeteile’. Kriterium des Erstbezugs eines Gebäudes
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 12
Beteiligte
I/S Nordre Strandvej Sæby |
Verfahrensgang
Vestre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 20.09.2023; ABl. EU 27.11.2023, Nr. C/2023/965) |
Tenor
Art. 12 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
die Lieferung eines Grundstücks, das zum Zeitpunkt dieser Lieferung ausschließlich mit einem Fundament für Wohngebäude versehen ist, eine Lieferung eines „Baugrundstücks” im Sinne dieses Artikels darstellt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vestre Landsret (Landgericht für Westdänemark, Dänemark) mit Entscheidung vom 20. September 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 26. September 2023, in dem Verfahren
Skatteministeriet
gegen
Lomoco Development ApS,
Holm Invest Aalborg A/S,
I/S Nordre Strandvej Sæby,
Strandkanten Sæby ApS
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer F. Biltgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Siebten Kammer, der Präsidentin der Fünften Kammer M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) und des Richters J. Passer,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Lomoco Development ApS, der Holm Invest Aalborg A/S, der I/S Nordre Strandvej Sæby und der Strandkanten Sæby ApS, vertreten durch C. Bachmann, Advokat,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. Maertens als Bevollmächtigte im Beistand von S. Horsbøl Jensen, Advokat,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Březinová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und U. Nielsen als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b sowie von Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Skatteministeriet (Finanzministerium, Dänemark) auf der einen Seite und der Lomoco Development ApS, der Holm Invest Aalborg A/S, der I/S Nordre Strandvej Sæby (im Folgenden: NSS) und der Strandkanten Sæby ApS auf der anderen Seite über die Mehrwertsteuer, die für die Lieferung von Grundstücken, die mit einem Fundament für Wohngebäude versehen sind, zu entrichten sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt”.
Rz. 4
Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Rz. 5
Art. 12 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten können Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere einen der folgenden Umsätze bewirken:
- Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt;
- Lieferung von Baugrundstücken.
(2) Als ‚Gebäude’ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a gilt jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk.
Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten der Anwendung des in Absatz 1 Buchstabe a genannten Kriteriums des Erstbezugs auf Umbauten von Gebäuden und den Begriff ‚dazugehöriger Grund und Boden’ festlegen.
Die Mitgliedstaaten können andere Kriterien als das des Erstbezugs bestimmen, wie etwa den Zeitraum zwischen der Fertigstellung des Gebäudes und dem Zeitpunkt seiner ersten Lieferung, oder den Zeitraum zwischen dem Erstbezug und der späteren Lieferung, sofern diese Zeiträume fünf bzw. zwei Jahre nicht überschreiten.
(3) Als ‚Baugrundstück’ im Sinne...