Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Beihilfe des Großherzogtums Luxemburg. Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird. Steuervorbescheid (‚tax ruling’). Vorteil. Selektiver Charakter. Fremdvergleichsgrundsatz. Bezugsrahmen. Anwendbares nationales Recht. ‚Normale’. Besteuerung

 

Beteiligte

Fiat Chrysler Finance Europe/ Kommission

Fiat Chrysler Finance Europe

Fiat Chrysler Finance Europe

Irland

Großherzogtum Luxemburg

Europäische Kommission

 

Tenor

1. Die Rechtssachen C-885/19 P und C-898/19 P werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 24. September 2019, Luxemburg und Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (T-755/15 und T-759/15, EU:T:2019:670), wird aufgehoben.

3. Der Beschluss (EU) 2016/2326 der Kommission vom 21. Oktober 2015 über die staatliche Beihilfe SA.38375 (2014/C ex 2014/NN) Luxemburgs zugunsten von Fiat wird für nichtig erklärt.

4. Das Rechtsmittel in der Rechtssache C-885/19 P ist in der Hauptsache erledigt.

5. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten in der Rechtssache C-885/19 P.

6. Die Europäische Kommission trägt die Kosten des Rechtsmittels in der Rechtssache C-898/19 P.

7. Die Europäische Kommission trägt die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 4. Dezember 2019,

Fiat Chrysler Finance Europe mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg), vertreten durch N. de Boynes, Avocat, M. Doeding, Solicitor, Rechtsanwalt M. Engel, F. Hoseinian, Advokat, G. Maisto und A. Massimiano, Avvocati, J. Rodríguez, Abogado, M. Severi, Avvocato, und A. Thomson, Solicitor,

Rechtsmittelführerin (C-885/19 P)

Klägerin im ersten Rechtszug (C-898/19 P),

Irland, vertreten durch M. Browne, A. Joyce und J. Quaney als Bevollmächtigte im Beistand von B. Doherty, BL, P. Gallagher, SC, und S. Kingston, SC,

Rechtsmittelführer (C-898/19 P)

Streithelfer im ersten Rechtszug (C-885/19 P),

andere Verfahrensbeteiligte:

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch A. Germeaux und T. Uri als Bevollmächtigte im Beistand von J. Bracker, A. Steichen und D. Waelbroeck, Avocats,

Kläger im ersten Rechtszug (C-898/19 P),

Europäische Kommission, vertreten durch P.-J. Loewenthal und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug (C-885/19 P und C-898/19 P),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe und der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan und P. G. Xuereb, der Richter S. Rodin, F. Biltgen, N. Piçarra, A. Kumin, N. Jääskinen, N. Wahl (Berichterstatter), der Richterin I. Ziemele und des Richters J. Passer),

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2021,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Fiat Chrysler Finance Europe, vormals Fiat Finance and Trade Ltd (im Folgenden: FFT) (C-885/19 P), und Irland (C-898/19 P) jeweils die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 24. September 2019, Luxemburg und Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (T-755/15 und T-759/15, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2019:670), mit dem ihre Klagen auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2016/2326 der Kommission vom 21. Oktober 2015 über die staatliche Beihilfe SA.38375 (2014/C ex 2014/NN) Luxemburgs zugunsten von Fiat (ABl. 2016, L 351, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen wurden.

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

Rz. 2

Für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens lässt sich die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie in den Rn. 1 bis 46 des angefochtenen Urteils dargestellt ist, wie folgt zusammenfassen.

A. Zu dem FFT von den luxemburgischen Steuerbehörden gewährten Steuervorbescheid

Rz. 3

Am 14. März 2012 richtete der Steuerberater von FFT ein Schreiben an die luxemburgischen Steuerbehörden, um die Genehmigung einer Vereinbarung über Verrechnungspreise zu beantragen.

Rz. 4

Am 3. September 2012 erließen die luxemburgischen Steuerbehörden einen Steuervorbescheid zugunsten von FFT (im Folgenden: fraglicher Steuervorbescheid). Dieser Bescheid war in einem Schreiben enthalten, in dem darauf hingewiesen wurde, dass, „was das Schreiben vom 14. März 2012 über die Finanzierungstätigkeiten von FFT innerhalb des Konzerns anbelangt, bestätigt wird, dass die Verrechnungspreis-Analyse in Übereinstimmung mit dem Rundschreiben 164/2 vom 28. Januar 2011 durchgeführt wurde und mit dem Fremdvergleichsgrundsatz im Einklang steht”.

B. Zum Verwaltungsverfahren vor der Kommission

Rz. 5

Am 19. Juni 2013 übermittelte die Europäische Kommission dem Großherzogtum Luxemburg ei...

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