Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erstattung nicht gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer nach dem Sitzabkommen, Restmehrwertsteuer, EZB
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Zentralbank trägt die Kosten.
Leitsatz (redaktionell)
Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht gemäß Artikel 8 Absatz 1 des sog. Sitzabkommens verpflichtet, für sämtliche Lieferungen und sonstige Leistungen, die die EZB für ihren Dienstbedarf in Deutschland kauft oder in Anspruch nimmt, insbesondere für die Anmietung von Immobilien, die Umsatzsteuerbeträge zu erstatten, bei denen nachgewiesen werden kann oder bei denen bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung davon ausgegangen werden muss, dass sie in den von der EZB gezahlten Preisen inbegriffen sind.
Normenkette
PrivProtEG Art. 3 Abs. 2; PrivProtEG Art. 23 Abs. 1; EZBAbk Art. 8 Abs. 1; UStG § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 1
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tatbestand
„Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften ‐ Abkommen über den Sitz der Europäischen Zentralbank ‐ Schiedsklausel ‐ Von der EZB angemietete Immobilien ‐ Indirekte Steuern, die in die Mietpreise einfließen“
In der Rechtssache C-220/03
betreffend eine Klage nach Artikel 238 EG, eingereicht am 21. Mai 2003,
Europäische Zentralbank, vertreten durch C. Zilioli und M. Benisch als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte H.-G. Kamann und M. Selmayr, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch U. Forsthoff als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt W. Hölters,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), K. Lenaerts, E. Juhász und M. Ilešič,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2005,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. September 2005
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Europäische Zentralbank (EZB) im Wesentlichen, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, ihr für sämtliche Lieferungen und sonstige Leistungen, die die EZB für ihren Dienstbedarf in Deutschland kauft oder in Anspruch nimmt, insbesondere für die Anmietung von Immobilien, die Umsatzsteuerbeträge zu erstatten, bei denen nachgewiesen werden kann oder bei denen bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung davon ausgegangen werden muss, dass sie in den von der EZB gezahlten Preisen inbegriffen sind. Außer dieser grundsätzlichen Feststellung beantragt die EZB, die Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, ihr 8 794 023,37 Euro an in Mietzahlungen und 1 925 689,23 Euro an in Nebenkosten und verschiedenen Arbeiten in Verbindung mit diesen Mietobjekten enthaltener Umsatzsteuer zu erstatten.
Rechtlicher Rahmen
2
Die EZB stützt ihre auf einer Schiedsklausel im Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank (BGBl. 1998 II S. 2744, im Folgenden: Sitzabkommen) beruhenden Anträge auf Artikel 8 Absatz 1 dieses Abkommens, der im Licht der Artikel 3 Absatz 2 und 23 Absatz 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 (ABl. 1967, Nr. 152, S. 13, im Folgenden: Protokoll) auszulegen sei.
3
Artikel 291 EG bestimmt:
„Die Gemeinschaft genießt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls vom 8. April 1965 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften. Dasselbe gilt für die Europäische Zentralbank, das Europäische Währungsinstitut und die Europäische Investitionsbank.“
Das Protokoll
4
Artikel 3 Absatz 2 des Protokolls sieht vor:
„Die Regierungen der Mitgliedstaaten treffen in allen Fällen, in denen es ihnen möglich ist, geeignete Maßnahmen für den Erlass oder die Erstattung des Betrages der indirekten Steuern und Verkaufsabgaben, die in den Preisen für bewegliche oder unbewegliche Güter inbegriffen sind, wenn die Gemeinschaften für ihren Dienstbedarf größere Einkäufe tätigen, bei denen derartige Steuern und Abgaben im Preis enthalten sind. Die Durchführung dieser Maßnahmen darf jedoch den Wettbewerb innerhalb der Gemeinschaften nicht verfälschen.“
5
Nach Artikel 23 Absatz 1 des Protokolls gilt dieses für die EZB.
Das Sitzabkommen
6
Nach dem fünften Absatz seiner Präambel bezweckt das Sitzabkommen, „die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Zentralbank in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften festzulegen“.
7
Artikel 8 Absatz 1 des Sitzabkommens bestimmt:
„In Anwendung des Artikels 3 Absatz 2 des Protokolls erstattet das Bundesamt für Finanzen aus dem Aufkommen der Umsatzste...