Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Verbrauchsteuern. Erstattung der Verbrauchsteuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind. Erstattung der bereits mittels Steuerzeichen entrichteten Verbrauchsteuer auf Tabakwaren, die unter behördlicher Aufsicht vernichtet worden sind. Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Regelung über die Erstattung der Verbrauchsteuern für in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte und unter zollbehördlicher Aufsicht vernichtete Tabakwaren zu erlassen. Fehlen
Normenkette
EGRL 118/2008 Art. 11
Beteiligte
Imperial Tobacco Bulgaria |
Direktor na Agentsia Mitnitsi |
IMPERIAL TOBACCO BULGARIA EOOD |
Verfahrensgang
Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Beschluss vom 06.01.2021; ABl. EU 2021 Nr. C 128/23) |
Tenor
Art. 11 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren sind dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen die Mitgliedstaaten nicht verpflichten, die Erstattung der Verbrauchsteuern für unter zollbehördlicher Aufsicht vernichtete verbrauchsteuerpflichtige Waren, einschließlich Tabakwaren, vorzusehen, die bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 6. Januar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2021, in dem Verfahren
Direktor na Agentsia „Mitnitsi”
gegen
„IMPERIAL TOBACCO BULGARIA” EOOD
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und Z. Csehi,
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Direktor na Agentsia „Mitnitsi”, vertreten durch P. Tonev,
- der „IMPERIAL TOBACCO BULGARIA” EOOD, vertreten durch T. Nenov und D. Vuchkov, Advokati,
- der bulgarischen Regierung, vertreten durch M. Georgieva und L. Zaharieva als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Bozhilova und C. Perrin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12) sowie von Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. 2011, L 176, S. 24).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Direktor na Agentsia „Mitnitsi” (Direktor der Zollagentur, Bulgarien) (im Folgenden: Direktor der Agentur) und der „IMPERIAL TOBACCO BULGARIA” EOOD mit Sitz in Bulgarien (im Folgenden: Imperial) über die Erstattung von Verbrauchsteuern.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2008/118
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 8, 9 und 31 der Richtlinie 2008/118 heißt es:
„(8) Da es nach wie vor für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, dass der Begriff der Verbrauchsteuer und die Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs in allen Mitgliedstaaten gleich sind, muss auf [Unions]ebene klargestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt und wer der Verbrauchssteuerschuldner ist.
(9) Da die Verbrauchsteuer auf den Verbrauch bestimmter Waren erhoben wird, sollte sie nicht auf Waren erhoben werden, die unter bestimmten Umständen zerstört wurden oder unwiederbringlich verloren gegangen sind.
…
(31) Mitgliedstaaten sollte es erlaubt sein festzulegen, dass in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Waren mit Steuerzeichen … versehen sind. Die Verwendung solcher [Steuerzeichen] sollten keine Hemmnisse für den … Handel [innerhalb der Union] schaffen.
Da die Verwendung dieser [Steuerzeichen] nicht zu einer Doppelbesteuerung führen darf, sollte klargestellt werden, dass der Mitgliedstaat, der die Zeichen ausgegeben hat, jeden Betrag, der dafür bezahlt oder als Sicherheit geleistet wurde, erstattet, erlässt oder freigibt, wenn die Steuerschuld in einem anderen Mitgliedstaat entstanden ist und dort auch eingezogen wurde.
Um allerdings jede Form des Missbrauchs zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten, die diese [Steuerzeichen] ausgegeben haben, die Erstattung, den Erlass oder die Freigabe davon abhängig machen, dass...