Entscheidungsstichwort (Thema)

Besonderer Freibetrag für die Aufwendungen für den Erwerb von Aktien und Gesellschaftsanteilen, Verbot der Beschränkung auf Aktien und Gesellschaftsanteile von Gesellschaften mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat

 

Leitsatz (amtlich)

Die Artikel 56 Absatz 1 EG und 58 Absatz 1 Buchstabe a EG stehen der Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegen, die natürlichen Personen einen Steuerfreibetrag für den Erwerb von Aktien oder Gesellschaftsanteilen versagt, die Bareinlagen in in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften entsprechen.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56 Abs. 1, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a

 

Beteiligte

Weidert und Paulus

Jean-Claude Weidert, Élisabeth Paulus

Ministre des Finances Luxemburg

 

Verfahrensgang

Cour administrative de Luxembourg (Luxemburg) (Urteil vom 03.06.2003)

 

Tatbestand

„Freier Kapitalverkehr ‐ Einkommensteuer ‐ Besonderer Freibetrag für die Aufwendungen für den Erwerb von Aktien und Gesellschaftsanteilen ‐ Beschränkung des Steuervorteils auf Aktien und Gesellschaftsanteile von Gesellschaften mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat“

In der Rechtssache C-242/03

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der luxemburgischen Cour administrative in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Ministre des Finances

gegen

Jean-Claude Weidert,

Élisabeth Paulus

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 56 Absatz 1 EG und 58 Absatz 1 Buchstabe a EG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), des Richters A. Rosas und der Richterin R. Silva de Lapuerta,

Generalanwältin: J. Kokott,Kanzler: R. Grass,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

von Herrn Weidert und Frau Paulus, vertreten durch P. Kinsch, avocat,

der luxemburgischen Regierung, vertreten durch S. Schreiner als Bevollmächtigten,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und C. Giolito als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Februar 2004,

folgendes

Urteil

1

Die Cour administrative hat mit Urteil vom 3. Juni 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juni 2003, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 56 Absatz 1 und 58 Absatz 1 Buchstabe a EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Finanzminister und den Klägern Weidert und Paulus über die Weigerung des Ersteren, den Klägern einen besonderen Freibetrag für den Erwerb von Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in Belgien zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

3

Im luxemburgischen Recht fügte Artikel III des Gesetzes vom 22. Dezember 1993 über die Investitionsförderung im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung (Mémorial A 1993, S. 2020) in das Gesetz vom 4. Dezember 1967 über die Einkommensteuer (Mémorial A 1967, S. 1228, im Folgenden: EStG) den Artikel 129c ein; dieser Artikel lautet:

„Absatz 1. Unter den nachfolgenden Voraussetzungen und in den nachfolgenden Grenzen kommen den steuerpflichtigen natürlichen Personen, die Aktien oder Gesellschaftsanteile erwerben, welche Bareinlagen in inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen, in Absatz 2 Unterabsatz 1 definierten Kapitalgesellschaften entsprechen, die in Absatz 4 genannten Steuervorteile zugute.

Absatz 4. (1) Auf Antrag erhalten die nach den Absätzen 1 und 3 Steuerpflichtigen einen Freibetrag für Mobiliarinvestitionen, der unbeschadet der Vorschriften des Artikels 153 bei der Veranlagung geltend zu machen ist.

(2) Der Freibetrag von bis zu 60 000 Francs jährlich wird für sämtliche Käufe von Wertpapieren und Zertifikaten gewährt, die im Laufe eines Jahres erfolgen und am Ende des Steuerjahres im Besitz des Steuerpflichtigen sind. Dieser Höchstbetrag verdoppelt sich bei einer gemeinsamen Veranlagung im Sinne von Artikel 3.

Absatz 5. Anspruch auf die Steuervorteile nach Absatz 4 besteht nur, wenn

a)

der Erwerb der Wertpapiere nach Absatz 2 Unterabsatz 2 entweder bei der Gründung einer inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen, in Absatz 2 Unterabsatz 1 definierten Kapitalgesellschaft oder bei einer Kapitalerhöhung durch neue Einlagen in eine solche erfolgt.

…“

4

Das Abkommen zwischen dem Königreich Belgien und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen, das am 17. September 1970 in Luxemburg unterzeichnet wurde (Mémorial A 1971, S. 1763, im Folgenden: Doppelbesteuerungsabkommen), sieht vor:

„Artikel 10 Dividenden

§ 1 Die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat wohnhafte Person ausgeschütteten Dividenden sind in diesem anderen Staat zu versteuern.

§ 2 Diese Dividenden können jedoch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz hat, nach den Rechtsvorschriften dieses Staates versteuert werden; die so festgesetzte Steuer darf nicht höher sein als:

b)

in allen anderen Fällen 15 Prozent ...

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