Entscheidungsstichwort (Thema)
Urheberrechte. Informationsgesellschaft. Richtlinie 2001/29/EG -Art. 2 und 5. Werke der Literatur und Kunst. Begriff der Vervielfältigung – ‚Teilweise’. Vervielfältigung. Vervielfältigung kurzer Auszüge aus Werken der Literatur. Zeitungsartikel. Vorübergehende und flüchtige Vervielfältigungen. Technisches Verfahren, das im Einscannen von Artikeln und deren anschließender Umwandlung in eine Textdatei, einer elektronischen Verarbeitung der Vervielfältigung, der Speicherung eines Teils der Vervielfältigung und deren Ausdruck besteht
Beteiligte
Infopaq International A/S |
Danske Dagblades Forening |
Tenor
1. Eine Handlung, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens vorgenommen wird, das darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, kann unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft fallen, wenn die so wiedergegebenen Bestandteile – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen.
2. Das Ausdrucken eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs, der im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen erfolgt, erfüllt nicht die Voraussetzung der Flüchtigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, und daher darf dieses Verfahren nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte durchgeführt werden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2008, in dem Verfahren
Infopaq International A/S
gegen
Danske Dagblades Forening
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter),
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Infopaq International A/S, vertreten durch A. Jensen, advokat,
- der Danske Dagblades Forening, vertreten durch M. Dahl Pedersen, advokat,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Februar 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft zum einen die Auslegung von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10) und zum anderen die Voraussetzungen für die Ausnahmen von vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Infopaq International A/S (im Folgenden: Infopaq) und der Danske Dagblades Forening (im Folgenden: DDF) betreffend die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, für Vervielfältigungshandlungen von Zeitungsartikeln mittels eines automatisierten Verfahrens, das im Einscannen der Artikel, ihrer Umwandlung in eine digitale Datei und deren anschließenden elektronischen Verarbeitung besteht, die Zustimmung der Rechtsinhaber einzuholen.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Gemäß Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des Übereinkommens von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation, das durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) genehmigt wurde, gilt:
„Die Mitglieder befolgen die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu. …”
Rz. 4
Art. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) bestimmt:
„(1) Die Bezeichnung ‚Werke der Literatur und Kunst’ umfasst alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst, ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks, wie: Bücher, Broschüren und andere Schriftwerke; …
…
(5) Sammlungen von Werken der Literatur oder Kunst, wie zum Beispiel E...