Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung. Nationale Rechtsvorschriften, nach denen ein Beschäftigter unter bestimmten Voraussetzungen wegen wiederkehrender, wenn auch gerechtfertigter Abwesenheiten vom Arbeitsplatz entlassen werden kann. Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund von Krankheiten, die auf seine Behinderung zurückzuführen sind. Ungleichbehandlung wegen einer Behinderung. Mittelbare Diskriminierung. Rechtfertigung. Bekämpfung von Absentismus am Arbeitsplatz. Angemessenheit. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i
Beteiligte
Carlos Enrique Ruiz Conejero |
Ferroser Servicios Auxiliares SA |
Tenor
Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund gerechtfertigter, aber wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz auch dann entlassen darf, wenn die Fehlzeiten die Folge von Krankheiten sind, die auf eine Behinderung des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, es sei denn, diese Regelung geht unter Verfolgung des legitimen Ziels der Bekämpfung von Absentismus nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social n° 1 de Cuenca (Sozialgericht Nr. 1 von Cuenca, Spanien) mit Entscheidung vom 5. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Mai 2016, in dem Verfahren
Carlos Enrique Ruiz Conejero
gegen
Ferroser Servicios Auxiliares SA,
Ministerio Fiscal
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter), D. Šváby und M. Vilaras,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Ruiz Conejero, vertreten durch J. Martínez Guijarro und M. de la Rocha Rubí, abogados,
- der Ferroser Servicios Auxiliares SA, vertreten durch J. A. Gallardo Cubero, abogado,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und V. Ester Casas als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Oktober 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Carlos Enrique Ruiz Conejero einerseits sowie der Ferroser Servicios Auxiliares SA und dem Ministerio Fiscal (Vertreter des öffentlichen Interesses, Spanien) andererseits über die Rechtmäßigkeit seiner im Anschluss an gerechtfertigte Abwesenheiten vom Arbeitsplatz erfolgten Entlassung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 11, 12, 16, 17, 20 und 21 der Richtlinie 2000/78 heißt es:
„(11) Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.
(12) Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. …
…
(16) Maßnahmen, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung.
(17) Mit dieser Richtlinie wird unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen, nicht die Einstellung, der berufliche Aufstieg, die Weiterbeschäftigung oder die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.
…
(20) Es sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, d. h. wirksame und praktikable Maßnahmen, um den Arbeits...