Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Anwendungsbereich. Wirtschaftliche Tätigkeit. Dienstleistungen. Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten. Gewährung von Krediten. Versteigerung verpfändeter Sachen. Einheitliche Leistung. Getrennte und selbständige Leistungen. Wesen einer Leistung als Haupt- oder Nebenleistung
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 135 Abs. 1 Buchst. b
Beteiligte
Companhia União de Crédito Popular |
Companhia União de Crédito Popular SA |
Autoridade Tributária e Aduaneira |
Verfahrensgang
Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) (Beschluss vom 25.01.2023; ABl. EU 2023, Nr. C 189/12) |
Tenor
Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
die Leistungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Versteigerungen verpfändeter Sachen keine Nebenleistungen zu den Hauptleistungen im Zusammenhang mit der Gewährung von durch ein Pfandrecht besicherten Krediten im Sinne dieser Bestimmung sind, so dass sie hinsichtlich der Mehrwertsteuer das steuerliche Schicksal der Hauptleistungen nicht teilen.
Tatbestand
In der Rechtssache betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) mit Entscheidung vom 25. Januar 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Februar 2023, in dem Verfahren
Companhia União de Crédito Popular SA
gegen
Autoridade Tributária e Aduaneira
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters N. Wahl und der Richterin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, R. Campos Laires und A. Rodrigues als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso und M. Herold als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Companhia União de Crédito Popular SA (im Folgenden: CUCP) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) über die Zahlung von Mehrwertsteuer auf Umsätze im Zusammenhang mit der Versteigerung von Sachen, die im Rahmen einer Pfandleihe als Sicherheit gestellt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.”
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”.
Rz. 5
Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”
Rz. 6
Art. 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:
- Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;
- Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger fordert.
Die Mitgliedstaaten können als Nebenkosten im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b Kosten ansehen, die Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sind.”
Rz. 7
In Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
b) die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber”.
Portugiesisches Recht
Zivilgesetzbuch
Rz. 8
Art. 666 Abs. 1 des Código Civil (Zivilgesetzbuch) sieht vor:
„Das Pfandrecht verleiht dem Gläubiger mit Vorrang vor anderen Gläubigern das ...