Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer Ausfuhrerstattung, Ausfuhr von Weißzucker, keine Überführung in freien Verkehr im Bestimmungsland, Nachweis der Einfuhr, Erfüllung von Einfuhrförmlichkeiten
Leitsatz (amtlich)
Art. 15 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2003 der Kommission vom 11. März 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Bedingung für den Erhalt einer differenzierten Erstattung, nämlich die Erfüllung der Einfuhrzollförmlichkeiten, nicht erfüllt ist, wenn das Erzeugnis im Bestimmungsdrittland nach Abfertigung zu einem Verfahren der aktiven Veredelung ohne Erhebung von Einfuhrabgaben einer „wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ im Sinne des Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften unterzogen und das aus dieser Be- oder Verarbeitung stammende Erzeugnis in ein drittes Land ausgeführt wird.
Normenkette
EGV 800/1999 Art. 15 Abs. 1, 3
Beteiligte
Suiker Unie GmbH - Zuckerfabrik Anklam |
Hauptzollamt Hamburg-Jonas |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Verordnung (EG) Nr. 800/1999 ‐ Art. 15 Abs. 1 und 3 ‐ Landwirtschaftliche Erzeugnisse ‐ Regelung für Ausfuhrerstattungen ‐ Differenzierte Ausfuhrerstattung ‐ Voraussetzungen für die Gewährung ‐ Einfuhr des Erzeugnisses in das Bestimmungsdrittland ‐ Zahlung der Einfuhrabgaben“
In der Rechtssache C-392/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Juli 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 4. August 2010, in dem Verfahren
Suiker Unie GmbH ‐ Zuckerfabrik Anklam
gegen
Hauptzollamt Hamburg-Jonas
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters E. Levits in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer, des Richters J.-J. Kasel und der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Suiker Unie GmbH ‐ Zuckerfabrik Anklam, vertreten durch Rechtsanwältin P. N. Söhngen,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Rossi und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 102, S. 11) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2003 der Kommission vom 11. März 2003 (ABl. L 67, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 800/1999).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der deutschen Suiker Unie GmbH ‐ Zuckerfabrik Anklam (im Folgenden: Suiker Unie) als Rechtsnachfolgerin der Danisco Zucker GmbH (im Folgenden: Danisco Zucker) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im Folgenden: Hauptzollamt) über die Rückforderung einer Ausfuhrerstattung, die das Hauptzollamt Danisco Zucker in Form eines Vorschusses gewährt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EWG) Nr. 3665/87
Rz. 3
Art. 17 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) sah vor, dass ein landwirtschaftliches Erzeugnis, für das eine differenzierte Ausfuhrerstattung beantragt wurde, „als eingeführt [gilt], wenn die Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr in dem betreffenden Drittland erfüllt sind“.
Verordnung Nr. 800/1999
Rz. 4
In ihrer für das Ausgangsverfahren maßgebenden Fassung sieht die Verordnung Nr. 800/1999, die an die Stelle der Verordnung Nr. 3665/87 getreten ist, in ihrem 17. Erwägungsgrund vor, dass „der Nachweis erbracht werden [muss], dass das betreffende Erzeugnis in ein Drittland eingeführt wurde. Die Erfüllung der Einfuhrzollförmlichkeiten besteht insbesondere in der Zahlung der Einfuhrzölle, die entrichtet werden müssen, damit das Erzeugnis auf dem Markt des betreffenden Drittlandes vermarktet werden kann.“
Rz. 5
Art. 15 der Verordnung Nr. 800/1999 lautet:
„(1) Das Erzeugnis muss in unverändertem Zustand in das Drittland oder in eines der Drittländer, für das die Erstattung vorgesehen ist, innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung eingeführt worden sein; gemäß den Bedingungen von Artikel 49 können jedoch zusätzliche Fristen eingeräumt werden.
(2) Als in unverändertem Zustand eingeführt gelten die Erzeugnisse, bei denen auf keine Weise ersichtlich ist, dass eine Verarbeit...