Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabe an die örtliche Handelskammer aufgrund Eintragung im Unternehmensregister, Abgabe für die Zeit der Gründungsphase des Unternehmens
Leitsatz (amtlich)
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, dass er einer Abgabe wie der im Ausgangsverfahren streitigen, die jährlich von jedem Unternehmen aufgrund seiner Eintragung im Unternehmensregister geschuldet wird, auch dann nicht entgegensteht, wenn eine solche Eintragung für Kapitalgesellschaften konstitutive Wirkung hat und die Abgabe von diesen Gesellschaften auch für den Zeitraum geschuldet wird, während dessen sie nur Vorbereitungen für den Betrieb eines Unternehmens treffen.
Normenkette
EGRL 7/2008 Art. 5 Abs. 1
Beteiligte
Camera di Commercio, Industria, Artigianato e Agricoltura (CCIAA) di Cosenza |
Verfahrensgang
Tribunale di Cosenza (Italien) (Urteil vom 05.11.2009; ABl. EU 2010, Nr. C 51/28) |
Tatbestand
„Richtlinie 2008/7/EG ‐ Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital ‐ Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und 6 Abs. 1 Buchst. e ‐ Geltungsbereich ‐ Jährliche Abgabe an die örtlichen Kammern für Handel, Industrie, Handwerk und Landwirtschaft“
In der Rechtssache C-443/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG und Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Cosenza (Italien) mit Entscheidungen vom 5. November 2009 und 13. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 2009 und 20. September 2010, in dem Verfahren
Camera di Commercio, Industria, Artigianato e Agricoltura (CCIAA) di Cosenza
gegen
Grillo Star Srl, in Insolvenz,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Camera di Commercio, Industria, Artigianato e Agricoltura (CCIAA) di Cosenza, vertreten durch O. Morcavallo und F. Sciaudone, avvocati,
‐ der Grillo Star Srl, vertreten durch R. Mastroianni, avvocato,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigten,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Aresu und M. Afonso als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Januar 2012
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und 6 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 46, S. 11).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung der Verbindlichkeiten der Grillo Star Srl (im Folgenden: Grillo Star), über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, durch den für Insolvenzsachen zuständigen Richter des Tribunale di Cosenza, der über die Anmeldung einer Forderung der Camera di Commercio, Industria, Artigianato e Agricoltura di Cosenza (Kammer für Handel, Industrie, Handwerk und Landwirtschaft Cosenza, im Folgenden: CCIAA di Cosenza) zu befinden hat, die sich daraus ergibt, dass Grillo Star für das Jahr 2009 nicht die von jedem im Unternehmensregister eingetragenen oder aufgeführten Unternehmen geschuldete jährliche Abgabe (im Folgenden: jährliche Abgabe) gezahlt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 („Kapitalgesellschaft“) der Richtlinie 2008/7 lautet:
„(1) Kapitalgesellschaften im Sinne dieser Richtlinie sind
a) jede Gesellschaft, die eine der im Anhang aufgeführten Formen aufweist;
b) jede Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person, deren Kapital- oder Vermögensanteile in einem der Mitgliedstaaten börsenfähig sind;
c) jede Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck, deren Mitglieder berechtigt sind, ihre Anteile ohne vorherige Genehmigung an Dritte zu veräußern, und deren Mitglieder für Schulden der Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person nur bis zur Höhe ihrer Beteiligung haften.
(2) Für die Zwecke dieser Richtlinie werden den Kapitalgesellschaften alle anderen Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen gleichgestellt, die einen Erwerbszweck verfolgen.“
Rz. 4
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten erheben von Kapitalgesellschaften keinerlei indirekten Steuern auf
…
c) die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Kapitalgesellschaft auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann;
…“
...