Entscheidungsstichwort (Thema)
Zolltarif, Tarifierung, Lysinsulfat, Erzeugnis auf Zuckerbasis, Positionen 2309, 2922 und 3824
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom 27. Oktober 2005 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis, das aus Lysinsulfat und Verunreinigungen aus dem Herstellungsprozess besteht, als Zubereitung von der zur Fütterung verwendeten Art in Position 2309 einzureihen ist.
2. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die nationalen Zollbehörden zum einen zu Unrecht gezahlte Produktionserstattungen zurückfordern, die der Hersteller für die Herstellung von Lysinsulfat bereits erhalten hat, und zum anderen die Auszahlung von Produktionserstattungen für dieses Erzeugnis verweigern, die sie dem Hersteller zugesagt hatten.
Normenkette
EWGV 2658/87 Anhang I
Beteiligte
Ministeriet for Fødevarer, Landbrug og Fiskeri |
Verfahrensgang
Vestre Landsret (Dänemark) (Urteil vom 09.11.2011; ABl. EU 2012, Nr. C 25/35) |
Tatbestand
„Tarifierung ‐ Kombinierte Nomenklatur ‐ Erzeugnis auf Zuckerbasis, das zu 65 % aus Lysinsulfat und zu 35 % aus Verunreinigungen aus dem Herstellungsprozess besteht ‐ Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 ‐ Verordnung (EG) Nr. 1265/2001 ‐ Produktionserstattung bei der Verwendung von bestimmten Erzeugnissen in der chemischen Industrie ‐ Zu Unrecht gezahlte Gemeinschaftsbeihilfen ‐ Erstattung ‐ Grundsatz des Vertrauensschutzes“
In der Rechtssache C-568/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vestre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 9. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 14. November 2011, in dem Verfahren
Agroferm A/S
gegen
Ministeriet for Fødevarer, Landbrug og Fiskeri
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis (Berichterstatter), J.-C. Bonichot, A. Arabadjev und J. L. da Cruz Vilaça,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Agroferm A/S, vertreten durch J. Lentz, advokat,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte im Beistand von J. Pinborg, advokat,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Barslev und P. Rossi als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. Januar 2013
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Positionen 2309, 2922 und 3824 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom 27. Oktober 2005 (ABl. L 286, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN) sowie die unionsrechtlichen Grundsätze, die für die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge gelten.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Agroferm A/S (im Folgenden: Agroferm) und dem Ministerium for Fødevarer, Landbrug og Fiskeri (Ministerium für Lebensmittel, Landwirtschaft und Fischerei, im Folgenden: Ministerium) über die Rückzahlung von Erstattungen für die Herstellung von Lysinsulfat, die Agroferm zu Unrecht gezahlt worden sein sollen.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
Rz. 3
Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde durch den Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens ‐ jetzt Weltzollorganisation ‐ erarbeitet und durch das Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt, das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossen und mit dem dazugehörenden Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde.
Rz. 4
Nach den Erläuterungen zu Kapitel 29 des HS bezieht sich der Begriff „Verunreinigungen“ ausschließlich auf Stoffe, deren Vorhandensein in der bestimmten chemischen Verbindung sich ausschließlich aus dem Herstellungsprozess ergibt. Diese Stoffe sind nach diesen Erläuterungen nicht als erlaubte Verunreinigungen anzusehen, wenn sie absichtlich in dem Erzeugnis belassen wurden, um es für bestimmte Verwendungszwecke geeigneter zu machen als für seinen allgemeinen Gebrauch.
Rz. 5
In den Erläuterungen zu Position 2309 des HS heißt es, dass zu dieser Position Zubereitungen gehören, die dazu bestimmt sind, beim Herstellen von „Alleinfuttermitteln“ o...