Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit. Familienleistungen. Recht auf Gleichbehandlung. Drittstaatsangehörige, die Inhaber einer kombinierten Erlaubnis sind
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 3; Richtlinie 2011/98/EU Art. 12
Beteiligte
Kerly Del Rosario Martinez Silva |
Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS) |
Tenor
Art. 12 der Richtlinie 2011/98/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten und zu arbeiten, sowie über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsarbeitnehmer, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach der Drittstaatsangehörige, der Inhaber einer kombinierten Erlaubnis im Sinne von Art. 2 Buchst. c dieser Richtlinie ist, eine Leistung wie die durch die Legge n. 448 – Misure di finanza pubblica per la stabilizzazione e lo sviluppo (Gesetz Nr. 448 über steuerliche Maßnahmen zu Stabilität und Entwicklung) vom 23. Dezember 1998 eingeführte Beihilfe zugunsten von Haushalten mit mindestens drei minderjährigen Kindern nicht beziehen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte d'appello di Genova (Berufungsgericht Genua, Italien) mit Entscheidung vom 8. Juli 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 5. August 2016, in dem Verfahren
Kerly Del Rosario Martinez Silva
gegen
Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS),
Comune di Genova
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal sowie der Richter A. Rosas und E. Jarašiūnas (Berichterstatter),
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Martinez Silva, vertreten durch L. Neri und A. Guariso, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und C. Cattabriga als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, und Berichtigung ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. 2009, L 284, S. 43) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) und von Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2011/98/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten und zu arbeiten, sowie über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsarbeitnehmer, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten (ABl. 2011, L 343, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Kerly Del Rosario Martinez Silva einerseits und dem Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS) (Nationales Institut für Sozialfürsorge, Italien) und der Comune di Genova (Gemeinde Genua, Italien) andererseits wegen der Ablehnung eines Antrags auf Gewährung einer Beihilfe für Haushalte mit mindestens drei minderjährigen Kindern „assegno ai nuclei familiari”, im Folgenden: ANF).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Eine „langfristige Aufenthaltsberechtigung – EG” ist gemäß Art. 2 Buchst. g der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44) ein Aufenthaltstitel, der bei der Erlangung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten ausgestellt wird.
Rz. 4
Art. 2 „Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie 2011/98 bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- ‚Drittstaatsangehöriger’ jede Person, die nicht Unionsbürger im Sinne von Artikel 20 Absatz 1 AEUV ist;
- ‚Drittstaatsarbeitnehmer’ jeden Drittstaatsangehörigen, der in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zugelassen wurde, sich dort rechtmäßig aufhält und in diesem Mitgliedstaat im Rahmen eines unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisses im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht oder den einzelstaatlichen Gepflogenheiten arbeiten darf;
- ‚kombinierte Erlaubnis’ einen von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellten Aufenthaltstitel, der es...