Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsgrundlage, Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Besteuerungsgrundlage der Lieferung eines Fahrzeugs, Normverbrauchsabgabe, NOVA
Leitsatz (amtlich)
1. Die Republik Österreich hat gegen ihre Pflichten aus Art. 78 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, indem sie die Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage der in Österreich bei der Lieferung eines Kraftfahrzeugs erhobenen Mehrwertsteuer einbezogen hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Europäische Kommission und die Republik Österreich tragen ihre eigenen Kosten.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 78
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Steuerrecht ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Mehrwertsteuer ‐ Besteuerungsgrundlage ‐ Abgabe auf die Lieferung von im betreffenden Mitgliedstaat noch nicht zugelassenen Fahrzeugen nach ihrem Wert und ihrem durchschnittlichen Verbrauch ‐ Normverbrauchsabgabe“
In der Rechtssache C-433/09
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. November 2009,
Europäische Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Pflichten aus den Art. 78 und 79 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) verstoßen hat, indem sie die Normverbrauchsabgabe (im Folgenden: NoVA) in die Bemessungsgrundlage der in Österreich bei der Lieferung eines Kraftfahrzeugs erhobenen Mehrwertsteuer einbezogen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Art. 73 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“
Rz. 3
Art. 78 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:
„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:
a) Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;
…“
Rz. 4
In Art. 79 der Richtlinie heißt es:
„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente nicht einzubeziehen:
…
c) Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind.
Der Steuerpflichtige muss den tatsächlichen Betrag der in Absatz 1 Buchstabe c genannten Auslagen nachweisen und darf die Mehrwertsteuer, die auf diese Auslagen gegebenenfalls erhoben worden ist, nicht als Vorsteuer abziehen.“
Nationales Recht
Rz. 5
Gemäß § 4 Abs. 1 und 10 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (BGBl 1994/663) in der durch das Bundesgesetz vom 30. Dezember 2003 (BGBl I 2003/134) geänderten Fassung (im Folgenden: UStG) ist Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer das Entgelt, ausgenommen die Umsatzsteuer. Dazu wird in Rz. 643 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 konkretisiert, dass diese Bemessungsgrundlage andere Abgaben, u. a. die NoVA, umfasst.
Rz. 6
§ 1 des Normverbrauchsabgabegesetz (BGBl 1991/659) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Mai 2007 (BGBl I 2007/24) (im Folgenden: NoVAG) bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
1. Die Lieferung von bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen, die ein Unternehmer … im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt …
…
3. Die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 … eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Zulassung eines Fahrzeuges, das bereits im Inland zugelassen war, aber nicht der Normverbrauchsabgabe unterlag oder befreit war sowie die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der...