Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmereigenschaft bei fehlenden Ausgangsumsätzen
Leitsatz (redaktionell)
In dem Verfahren ging es um eine belgische AG, die Verfahren zur Behandlung von See- und Brackwasser entwickeln und diese Wasser zu Trinkwasser verarbeiten sollte. Nach einigen Jahren stellte die Finanzbehörde fest, die Gesellschaft habe bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Forschung betrieben und keinerlei Ausgangsumsätze erzielt. Sie forderte die abgezogenen Vorsteuern daher zurück. Die Gesellschaft machte geltend, sie habe durch ihr bisheriges Handeln eindeutig die Absicht zum Ausdruck gebracht, regelmäßig steuerbare Umsätze erzielen zu wollen. Sie sei daher dauerhaft als Steuerpflichtiger anzusehen, so daß der Vorsteuerabzug nicht davon abhängig sei, daß sie Umsätze bewirke. Die Gesellschaft wurde einige Zeit später liquidiert, ohne auch nur einen einzigen Ausgangsumsatz erzielt zu haben.
Der EuGH hat entschieden, daß in diesem Fall die Unternehmereigenschaft bestanden hat und die Vorsteuern nicht zurückgefordert werden dürfen. Außer in den Fällen von Betrug oder Mißbrauch könnte eine Unternehmereigenschaft nicht rückwirkend aberkannt werden. Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil mit BMF-Schreiben vom 2.12.1996 (BStBl. I 1996, 1461) reagiert.
Beteiligte
Intercommunale voor zeewaterontzilting (INZO) |
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
(Fünfte Kammer)
„Mehrwertsteuer – Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit – Eigenschaft als Steuerpflichtiger – Auf eine Rentabilitätsstudie hinsichtlich eines anschließend aufgegebenen Vorhabens beschränkte Tätigkeit”
In der Rechtssache C-110/94 betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag von der Rechtbank van eerste aanleg Brügge (Belgien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit
Intercommunale voor zeewaterontzilting (INZO), in Liquidation,
gegen
Belgische Staat
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABI. L 145, S. 1) erläßt
Der Gerichtshof
(Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter J.-P. Puissochet, J. C Moitinho de Almeida, C. Gulmann (Berichterstatter) und L. Sevón,
Generalanwalt: C. O. Lenz
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Intercommunale vor zeewaterontzilting, in Liquidation, vertreten durch die Rechtsanwälte Marc van Grimbergen und Xavier Leurquin, Brüssel,
der belgischen Regierung, vertreten durch Rechtsanwalt Bernard van de Walle de Ghelcke, Brüssel,
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Regierungsrat Bernd Kloke, Bundeswirtschaftsministerium, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Berend Jan Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Intercommunale voor zeewaterontzilting, der belgischen Regierung, der deutschen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 5. Oktober 1995,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. November 1995,
folgendes
Urteil
1 Die Rechtbank van eerste aanleg Brügge hat mit Urteil vom 5. ApriI 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 8. April 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABI. L 145, S. 1, nachstehend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen einen Vollstreckungsbescheid der belgischen Behörde gegen die Intercommunale voor zeewaterontzilting, Aktiengesellschaft in Liquidation (INZO), wegen Zahlung der Mehrwertsteuer, die letztere aufgrund ihres Rechts auf Vorsteuerabzug zurückerhalten hatte.
3 Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:
- Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
- Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt.
4 Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteu...