Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern auf Zigaretten, Steuerentstehung, Zeitliche Begrenzung für die Vermarktung und den Verkauf von Zigarettenpackungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, dass sie vorgesehen hat, dass Zigaretten, die in einem bestimmten Wirtschaftsjahr in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, nach Ablauf der in Art. 27 Buchst. a der Portaria n.° 1295/2007 do Ministério das Finanças e da Administração Pública (Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 des Ministeriums für Finanzen und öffentliche Verwaltung) vom 1. Oktober 2007 in der auf die vorliegende Klage anwendbaren Fassung vorgesehenen Frist auch dann nicht mehr öffentlich vermarktet oder verkauft werden dürfen, wenn der Verbrauchsteuersatz bezüglich dieser Waren mit Wirkung für das Folgejahr nicht erhöht wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Portugiesische Republik trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.
4. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und wird verurteilt, die Hälfte der Kosten zu tragen, die der Portugiesischen Republik entstanden sind.
5. Das Königreich Belgien, die Republik Estland und die Republik Polen tragen jeweils ihre eigenen Kosten.
Normenkette
EGRL 118/2008 Art. 9 Abs. 1
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Verbrauchsteuern auf Zigaretten ‐ Richtlinie 2008/118/EG ‐ Entstehung des Steueranspruchs ‐ Ort und Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs ‐ Steuerzeichen ‐ Freier Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren ‐ Zeitliche Begrenzung für die Vermarktung und den Verkauf von Zigarettenpackungen ‐ Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C-126/15
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 12. März 2015,
Europäische Kommission, vertreten durch F. Tomat und M. G. Braga da Cruz als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, N. Silva Vitorino und A. Cunha als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Belgien, vertreten durch M. Jacobs und J. C. Halleux als Bevollmächtigte,
Republik Estland, vertreten durch K. Kraavi-Käerdi als Bevollmächtigte,
Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
Streithelferinnen,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und F. Biltgen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. Oktober 2016,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7, Art. 9 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12) sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, dass sie ein Verbot erlassen hat, Zigarettenpackungen, die in einem bestimmten Wirtschaftsjahr bereits besteuert und in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden waren, nach Ablauf der übermäßig kurzen, in Art. 27 der Portaria n.° 1295/2007 do Ministério das Finanças e da Administração Pública (Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 des Ministeriums für Finanzen und öffentliche Verwaltung) vom 1. Oktober 2007 (Diário da República, Reihe 1, Nr. 189 vom 1. Oktober 2007) in der auf die vorliegende Klage anwendbaren Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007) vorgesehenen Frist öffentlich zu vermarkten und zu verkaufen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Der 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 lautet:
„Mitgliedstaaten sollte es erlaubt sein festzulegen, dass in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Waren mit Steuerzeichen oder mit nationalen Erkennungszeichen versehen sind. Die Verwendung solcher Steuer- bzw. Erkennungszeichen sollten keine Hemmnisse für den innergemeinschaftlichen Handel schaffen.
Da die Verwendung dieser Steuer- bzw. Erkennungszeichen nicht zu einer Doppelbesteuerung führen darf, sollte klargestellt werden, dass der Mitgliedstaat, der die Zeichen ausgegeben hat, jeden Betrag, der dafür bezahlt oder als Sicherheit geleistet wurde, erstattet, erlässt oder freigibt, wenn die Steuerschuld in einem anderen Mitgliedstaat entstanden ist und dort auch eingezogen wurde.
Um allerdings jede Form des Missbrauchs zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten, die diese Steuer- bzw. Erkennungszeichen ausgegeben haben, die Erstattung, den Erlass oder die Fre...