Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Dienstleistungsverkehr. Steuer auf in einem Mitgliedstaat abgeschlossene oder ausgeführte Börsengeschäfte. Ungleichbehandlung zum Nachteil von Dienstleistungsempfängern, die sich gebietsfremder gewerblicher Vermittler bedienen. Beschränkung. Rechtfertigung
Normenkette
AEUV Art. 56; EWR-Abkommen Art. 36
Beteiligte
Verfahrensgang
Grondwettelijk Hof (Belgien) (Beschluss vom 08.11.2018; ABl. EU 2019 Nr. C 44/15) |
Tenor
Art. 56 AEUV und Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die eine Steuer auf im Auftrag einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Person durch einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler abgeschlossene oder ausgeführte Börsengeschäfte einführt und eine Beschränkung der freien Dienstleistungserbringung durch solche gewerblichen Vermittler zur Folge hat, soweit diese Regelung für diese Auftraggeber und gewerblichen Vermittler Erleichterungen sowohl in Bezug auf die mit dieser Steuer verbundenen Erklärungspflichten als auch in Bezug auf die Zahlung derselben vorsieht, durch die die Beschränkung auf das begrenzt wird, was zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten legitimen Ziele erforderlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien) mit Entscheidung vom 8. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 22. November 2018, in dem Verfahren
Anton van Zantbeek VOF
gegen
Ministerraad
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters T. von Danwitz (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter C. Vajda und A. Kumin,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Anton van Zantbeek VOF, vertreten durch A. Maelfait und S. van Bree, advocaten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, P. Cottin und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von C. Decordier, avocate,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und R. Pethke als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 und 63 AEUV sowie der Art. 36 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Anton van Zantbeek VOF und dem Ministerraad (Ministerrat, Belgien) wegen einer Klage auf Nichtigerklärung nationaler Rechtsvorschriften zur Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Steuer auf Börsengeschäfte.
Belgisches Recht
Rz. 3
Durch die Art. 122 und 123 der Programmawet (Programmgesetz) vom 25. Dezember 2016 (Belgisch Staatsblad vom 29. Dezember 2016, S. 90879, im Folgenden: Programmawet) wurde das Wetboek diverse rechten en taksen (Gesetzbuch der verschiedenen Gebühren und Steuern) geändert, indem jeweils ein Abs. 2 in die Art. 120 und 126/2 eingefügt wurde.
Rz. 4
Art. 120 des Wetboek diverse rechten en taksen bestimmt in der durch die Programmawet geänderten Fassung (im Folgenden: WDRT):
„Folgende in Belgien abgeschlossene oder ausgeführte Geschäfte unterliegen, wenn sie belgische oder ausländische Publikumsfonds betreffen, der Steuer auf Börsengeschäfte:
1. jeder Verkauf, jeder Ankauf und, allgemeiner, jede Veräußerung und jeder Erwerb gegen Entgelt;
…
3. jeder Rückkauf ihrer Anteile durch eine Investmentgesellschaft, wenn das Geschäft thesaurierende Aktien betrifft;
…
Die in Absatz 1 genannten Geschäfte gelten auch dann als in Belgien abgeschlossen oder ausgeführt, wenn der Auftrag hierfür unmittelbar oder mittelbar einem im Ausland ansässigen Vermittler erteilt wird:
- entweder durch eine natürliche Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Belgien
- oder durch eine juristische Person für Rechnung eines Sitzes oder einer Niederlassung derselben in Belgien.”
Rz. 5
Art. 125 Abs. 1 WDRT sieht vor:
„Die Steuer ist spätestens zu entrichten am letzten Werktag
- des zweiten Monats nach dem Monat, in dem das Geschäft abgeschlossen oder ausgeführt wurde, wenn der Auftraggeber Steuerschuldner ist;
- des Monats nach dem Monat, in dem das Geschäft abgeschlossen oder ausgeführt wurde, in allen anderen Fällen.
Die Steuer wird durch Einzahlung oder Überweisung auf das Bankkonto des zuständigen Büros entrichtet.
Am Tag der Zahlung reicht der Steuerschuldner bei diesem Büro eine Erklärung ein, aus der sich die Steuerbemessungsgrundlage sowie alle für deren Bestimmung erforderlic...