Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Erlaubt die 6. EG-RL den Mitgliedstaaten, eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die USt-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist?
2. Ist es für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung,
- ob es sich bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist, und
- ob der Steuerpflichtige die Abgabe einer Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nachgewiesen hat?
Normenkette
§ 6a, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 1 Abs. 2 S. 1, § 1 Abs. 2a S. 1 und 3, § 3 Abs. 6 UStG 1993, § 17a, § 17c UStDV 1993, Art. 22, Art. 28a, Art. 28b Teil A Abs. 1, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine Organgesellschaft der Klägerin, die GmbH, verkaufte im Jahr 1998 an das Unternehmen A mit Sitz in den USA Maschinen zum Kaufpreis von 750 000 DM. A hatte gegenüber der GmbH keine USt-Identifikationsnummer verwendet. A verkaufte die Maschinen weiter an ein finnisches Unternehmen und teilte der GmbH die USt-Identifikationsnummer des finnischen Unternehmens mit. Die Maschinen wurden von einer von A beauftragten Spedition nach Finnland zum Abnehmer der A gebracht. Die Klägerin behandelte die Lieferung als umsatzsteuerfrei.
Das FA hielt den Umsatz für steuerpflichtig.
Das FG wies die Klage ab. Es war der Ansicht, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG lägen nicht vor, weil der Erwerb in Finnland nicht den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliege (Sächsisches FG, Urteil vom 25.02.2009, 2 K 484/07, Haufe-Index 2141108, EFG 2009, 1418).
Entscheidung
Der BFH hält es nicht für zweifelsfrei, ob das Unionsrecht den Mitgliedstaaten gestattet, die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung uneingeschränkt davon abhängig zu machen, dass der Erwerber eine USt-Identifikationsnummer verwendet.
Er hat deshalb das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH die aus dem Leitsatz ersichtlichen Fragen gem. Art. 267 Abs. 3 AEU zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hinweis
1. Eine im Inland steuerbare Lieferung liegt vor, wenn ein im Inland ansässiger Unternehmer einen Gegenstand an einen Abnehmer verkauft, der ihn seinerseits an einen Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat weiterveräußert, wenn der erste Abnehmer diesen Gegenstand an seinen Abnehmer befördert oder versendet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 6 UStG 1993, im folgenden: UStG). Dieser Tatbestand ist im Besprechungsfall unstreitig erfüllt.
2. Diese Lieferung ist gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStGsteuerfrei, wenn es sich dabei um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Diese Steuerbefreiung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-RL (nunmehr: Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL).
Die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung sind in § 6a Abs. 1 S. 1 UStG festgelegt und müssen gem. § 6a Abs. 3 S. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen werden. Nach § 6a Abs. 3 S. 2 UStG kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, wie der Nachweis zu führen ist.
Entsprechende Regelungen sind in § 17a bis 17c UStDV 1993 getroffen worden.
Nach § 17c Abs. 1 S. 1 UStDV 1993 muss der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich der USt-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen.
Fraglich ist aber, ob dies zwingend ist. Denn der BFH hat seine frühere Auffassung, dass es sich bei den in §§ 17a, 17c UStDV geregelten Nachweisen um materiell-rechtliche Voraussetzungen der Steuerbefreiung handele, im Licht der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache "Collee" (Urteil vom 27.09.2007, C-146/05, BFH/NV Beilage 2008, 34) aufgegeben. Nach seiner geänderten Rechtsprechung ist die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten ausnahmsweise dann zu gewähren, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (BFH, Urteil vom 06.12.2007, V R 59/03, BFH/NV 2008, 515, BFH/PR 2008, 209).
3. Im Besprechungsfall steht aufgrund der objektiven Beweislage fest, dass die Partner des Kaufvertrags Unternehmer sind und die Ware vom Inland vom Erwerber in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurde. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 2 Buchst. a UStG liegen vor.
Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung dient dazu, die Besteuerung aus dem Ursprungs- in den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern. Deshalb ist nach dem Korrespondenzprinzip weiter erforderlich, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG).
Nach Art. 28a Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL...