Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL unter Berücksichtigung des Neutralitätsprinzips dahingehend auszulegen, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von der GbR einen Teil des Mandantenstammes nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstammes berechtigt sein kann?
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a, Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 6 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger war bis zum 31.12.1994 zu 60 % als Gesellschafter an der M & Partner Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Alt-GbR) beteiligt. Außer ihm waren die Steuerberater X und Y zu je 20 % Mitgesellschafter. Zum 31.12.1994 wurde die Alt-GbR in der Weise aufgelöst, dass jeder der Gesellschafter einen Teil des Mandantenstammes übernahm.
Zum 31.12.1994 wurde unter maßgeblicher Beteiligung des Klägers eine neue GbR gegründet, die ab dem 1.1.1995 ebenfalls unter dem Namen M & Partner tätig war (Neu-GbR). An dieser Gesellschaft waren der Kläger zu 95 % und der Steuerberater Z zu 5 % beteiligt. Der Kläger überließ der Neu-GbR den von ihm übernommenen Mandantenstamm unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung.
Das FA setzte gegenüber der Alt-GbR Umsatzsteuer für 1994 für die Übertragung des Mandantenstammes fest. Es versagte aber den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug aus der ihm von der Alt-GbR für den Erwerb des Mandantenstammes (mit Umsatzsteuerausweis) erteilten Rechnung.
Das FG gab der Klage statt (FG des Saarlandes, Urteil vom 16.6.2010, 1 K 2111/06, Haufe-Index 2406182, DStRE 2011, 945).
Entscheidung
Der XI. Senat des BFH hat die Sache dem EuGH vorgelegt. Er neigt dazu, den Vorsteuerabzug des Gründungsgesellschafters zu bejahen, und stützt sich dabei insbesondere auf die Rechtsgrundsätze, die der EuGH in seinem Urteil vom 1.3.2012, C-280/10 – Polski Trawertyn – BFH/PR 2012, 250 aufgestellt hat.
Dagegen hat der ebenfalls für die Umsatzsteuer zuständige V. Senat des BFH auf eine vorsorglich gestellte Anfrage des XI. Senats vom 14.11.2012, XI R 26/10 (BFH/NV 2013, 417) mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten wolle, wonach ein Gesellschafter, der ein Wirtschaftsgut außerhalb seiner eigenen wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit erwirbt und dieses seiner Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung überlässt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei (BFH, Beschluss vom 6.12.2012, V ER-S 2/12, BFH/NV 2013, 418). Der V. Senat hält es für zweifelhaft, ob die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil Polski Trawertyn auf den Streitfall übertragbar sind.
Da die Auslegung von EuGH-Urteilen in erster Linie dem EuGH obliegt, hat der XI. Senat zur Klärung der verbleibenden Zweifel nunmehr den EuGH angerufen.
Hinweis
Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, dass schon die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens und zu dessen Verwirklichung getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen sind und grundsätzlich den Vorsteuerabzug eröffnen können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.2.2013 – XI R 26/10