Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ergibt sich bei einer einmalig und daher nicht zeitraumbezogen erbrachten Dienstleistung der Anlass zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen i.S. von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL bereits aus der Vereinbarung einer Ratenzahlung?
2. Hilfsweise bei Verneinung der ersten Frage: Ist von einer Nichtbezahlung i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auszugehen, wenn der Steuerpflichtige bei der Erbringung seiner Leistung vereinbart, dass diese in fünf Jahresraten zu vergüten ist und das nationale Recht für den Fall der späteren Zahlung eine Berichtigung vorsieht, durch die die vorherige Minderung der Steuerbemessungsgrundlage nach dieser Bestimmung wieder rückgängig gemacht wird?
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 63, Art. 64 Abs. 1 und Art. 90 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin unterliegt der Sollbesteuerung und erbrachte im Streitjahr 2012 eine steuerpflichtige Vermittlungsleistung an die T‐GmbH (GmbH) auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung vom 7.11.2012. Danach hatte die GmbH (Auftraggeber) die Klägerin (Auftragnehmer) beauftragt, im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages über ein Grundstück in M vermittelnd tätig zu werden.
Nach der Präambel zur Vereinbarung war der Grundstückskaufvertrag bereits beurkundet worden und es wurde festgestellt, dass der Auftragnehmer seine aus diesem Auftrag resultierenden Verpflichtungen umfassend erfüllt habe. Als Gegenleistung war vereinbart, dass der Auftragnehmer vom Auftraggeber ein Honorar i.H.v. 1.000.000 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer erhalte. Das vereinbarte Honorar sollte in fünf Teilbeträgen von jeweils 200.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer gezahlt werden. Die Teilbeträge waren in einem Abstand von jeweils einem Jahr fällig und der erste Teilbetrag war am 30.6.2013 zu zahlen. Der Auftraggeber hatte dem Auftragnehmer zur Erfüllung der Honorarzahlungen eine Sicherheit zu leisten.
In den Folgejahren erstellte die Klägerin Rechnungen mit Steuerausweis über die jeweiligen Teilbeträge zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt, vereinnahmte und versteuerte entsprechend der Vereinnahmung.
Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin aufgrund der im Streitjahr bereits erbrachten Vermittlungsleistung das gesamte Vermittlungshonorar zu versteuern habe. Daher änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung 2012 mit Bescheid vom 22.12.2016. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das Finanzgericht der Klage mit seinem Urteil überwiegend statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.3.2019, 3 K 1816/18, Haufe-Index 13030185, EFG 2019, 835).
Entscheidung
Der BFH setzte das Verfahren aus, um eine Vorabentscheidung durch den EuGH einzuholen.
Hinweis
1. Die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) erweist sich für den Unternehmer immer dann als problematisch, wenn die Vergütung einer steuerpflichtigen Leistung erst mit erheblicher Zeit nach der Leistungserbringung vereinnahmt wird, da es nicht der Unternehmer sein soll, der durch die Umsatzsteuer belastet wird.
2. Seit dem auf Vorlage durch den BFH ergangenen EuGH-Urteil baumgarten sports & more (EuGH, Urteil vom 29.11.2018, C‐548/17, EU:C:2018:970) stellt sich dabei die Frage, inwieweit eine vom Unternehmer vorzufinanzierende Umsatzsteuer über Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL vermieden werden kann.
Diese Bestimmung gilt
- für die Lieferungen von Gegenständen, die nicht die Vermietung eines Gegenstands oder den Ratenverkauf eines Gegenstands i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b MwStSystRL betreffen, und
- für Dienstleistungen, die zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben.
Als Rechtsfolge ordnet Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL an, dass diese Leistungen jeweils als mit Ablauf des Zeitraums bewirkt gelten, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen.
3. Im Nachgang zum oben zitierten EuGH-Urteil baumgarten sports & more hat der BFH bereits entschieden, dass der nationale Teilleistungsbegriff in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG mit dem Erfordernis einer wirtschaftlich teilbaren Leistung nicht unionsrechtskonform ist (BFH vom 26.6.2019, V R 8/19 (V R 51/16), BFHE 265, 544).
4. Welche weiteren Folgen sich aus Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL ergeben, ist unklar und hängt davon ab, wie die dort verwendete Formulierung, dass Leistungen zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, zu verstehen ist.
Hierfür könnte eine bloße Befristung von Zahlungsansprüchen für die Leistung ausreichen, was den Ausschluss des Ratenverkaufs erklären würde. Ein derartiger Ausschlusstatbestand besteht für den Bereich der Dienstleistungen nicht.
Die insoweit bestehenden Zweifelsfragen soll nunmehr der EuGH auf Vorlage durch den BFH in der Rechtssache C-324/20X-Beteiligungsgesellschaft klären. Hilfsweise geht es hier auch um die Auslegung von Art. 90 MwStSystRL als unionsrechtlicher Grundlage von § 17 UStG.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss ...