Leitsatz
Es ist fraglich, ob es europarechtlich zulässig ist, dass allein aufgrund der Eintragung in ein deutsches Register eine Versicherungsteuerpflicht für ein Seeschiff entstehen kann.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige Versicherung, die weltweit Marineversicherungen anbietet. Unter anderem war sie als Versicherer für verschiedene deutsche GmbHs tätig, die in das Handelsregister in Hamburg eingetragen waren. Der Gesellschaftszweck lag jeweils in dem Betrieb eines Seeschiffs. Die jeweiligen Seeschiffe waren hierbei in das Seeschiffsregister beim Amtsgericht Hamburg eingetragen. Die Seeschiffe führten jedoch nicht die deutsche Flagge, sondern die eines anderen Staates. Das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hatte die entsprechenden Genehmigungen erteilt. In allen Fällen wurden die Schiffe sodann in das Schiffsregister des Flaggenstaats (Malta oder Liberia) eingetragen, es blieb aber gleichwohl, wie vorgesehen, bei einer Eintragung in das deutsche Register für die Zeit der Ausflaggung. Das zuständige Bundeszentralamt für Steuern sah im Rahmen einer Außenprüfung in dieser Konstellation eine Versicherungsteuerpflicht als gegeben an, da nach der entsprechenden gesetzlichen Regelung allein die Eintragung in ein deutsches Register maßgeblich ist. Hiergegen wandte sich die Klägerin zunächst in einem erfolglosen Einspruchsverfahren. Anschließend wandte sie sich an das Finanzgericht Köln. Sie führte im Wesentlichen an, dass allein durch die Eintragung in ein deutsches Register keine Risikobelegenheit der versicherten Schiffe im Inland gegeben sei. Maßgeblich sei allein der Flaggenstaat.
Entscheidung
Das Finanzgericht Köln sah sich an einer Entscheidung dadurch gehindert, dass es die Europarechtskonformität der maßgeblichen Bestimmung im deutschen Versicherungsteuergesetz als fraglich ansah. Eine Vorlage an den EuGH war deshalb zwingend. Nach dem deutschen Recht besteht eine Versicherungsteuerpflicht unter anderem dann, wenn die Versicherung mit einem in der EU bzw. dem EWR ansässigen Versicherungsunternehmen abgeschlossen wird und im Falle eines Fahrzeugs dieses in ein deutsches Register eingetragen ist. Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt, obwohl die Schiffe nicht die deutsche Flagge führten. Das Finanzgericht hat allerdings Bedenken, ob dieses nationale Recht mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Nach diesem liegt das Besteuerungsrecht dort, wo das Risiko belegen ist. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob das Risiko in Deutschland belegen ist. Damit war eine Vorabentscheidung des EuGHs einzuholen.
Hinweis
Wie so oft in Sachverhalten, die aus dem Bereich der maritimen Wirtschaft stammen, handelt es sich bei dem Fall, der dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt, um eine Gestaltung mit vielerlei internationalen Bezügen. Deshalb einige kurze Erklärungen vorweg. Seeschiffe, die von deutschen Gesellschaften im internationalen Verkehr betrieben werden, führen in den seltensten Fällen die Bundesflagge. Dies hat vor allem Kostengründe, da das Führen der deutschen Flagge eine Vielzahl von Verpflichtungen mit sich bringt, die erhebliche Kosten von schnell mehreren hunderttausend Euro pro Jahr verursachen können. Die Schiffe werden deshalb ausgeflaggt - klassische Länder hierfür sind etwa, wie im Sachverhalt, Liberia oder Malta. Für einen gewissen Zeitraum dürfen die Schiffe dann die Flagge des anderen Landes führen. Vorwiegend aus steuerlichen Gründen, z.B. was die sogenannte Tonnagesteuer (§ 5a EStG) betrifft, bleiben die Schiffe aber im deutschen Zweitregister eingetragen. Genau an diese Eintragung ins das Zweitregister knüpft aber die Steuerpflicht nach dem Versicherungsteuergesetz gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 VerStG im Sachverhalt an. Dort ist nur davon die Rede, dass das Fahrzeug in ein amtliches Register eingetragen ist und mit einem Unterscheidungskennzeichen versehen ist (vgl. zu den Einzelheiten Grünwald/Dallmayr, VerStG, § 1 VerStG Rz. 180ff.). Im Hinblick auf die EU beruht das Versicherungsteuergesetz dabei auf europarechtlichen Grundlagen, die die Doppelbesteuerung im Bereich der Versicherungsteuer vermeiden sollen. Dabei herrscht das Grundprinzip, dass die Versicherungsteuer dort erhoben werden soll, wo das Risiko besteht. Hierbei kann man sehr wohl Zweifel daran haben, ob allein aufgrund der Tatsache, dass ein Schiff in das sogenannte Zweitregister in Deutschland eingetragen ist, ein Risiko in Deutschland besteht (ausführlich auch Grünwald/Dallmayr, VerStG, § 1 VerStG Rz. 223ff.). Aufgrund der Vorgaben, die der Flaggenstaat trifft, liegt es vielmehr nahe, das Risiko dort zu lokalisieren. Allerdings bleibt abzuwarten, ob der EuGH dies ebenso sieht. Insofern sollten entsprechende Steuerfestsetzungen in jedem Fall offengehalten werden, denn bestandskräftige Veranlagungen lassen sich auch im Bereich der Versicherungsteuer regelmäßig nicht mehr ändern.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Beschluss vom 22.02.2019, 2 K 434/16