Fehlende Definition: Wie oben (II.2.) dargestellt, sollen nach Auffassung des EuGH Leistungen i.Z.m. Ausfuhren bzw. in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL genannten Einfuhren, nur dann steuerfrei sein, wenn sie an den Ausführer, den Einführer, den Versender oder den Empfänger der Gegenstände erbracht werden.[34] Hierbei stellt sich natürlich die Frage, wen der EuGH eigentlich genau meint, wenn er von Ausführer, Einführer, Versender oder Empfänger oder – wie im Fall A Oy (s. oben III.) – von den Verfügungsberechtigten der Ladung spricht.[35]

[34] EuGH v. 29.6.2017 – C-288/16 – "L.Č." IK, UR 2017, 599 Rz. 23 und 27.
[35] Zu diesen Fragen s. auch das Arbeitspapier der Kommission Nr. 963 v. 4.3.2019, taxud.c.1(2019)1739230, S. 9.

1. Versender und Empfänger

Versender und Empfänger lt. BMF: Das BMF sagte hierzu in seinem Schreiben vom 27.9.2021, "Versender" sei der liefernde Unternehmer, "Empfänger" sei der Abnehmer des Gegenstandes.[36]

EuGH spricht nicht von lieferndem Unternehmer oder Abnehmer: Aus der EuGH-Entscheidung vom 29.6.2017 ergibt sich allerdings nicht, dass die Personen, die den Auftragnehmer im vorgelegten Fall mit dem Transittransport beauftragten, auch "liefernde Unternehmer" waren. U.E. ergibt sich aus dem – nur fragmentarisch dargestellten – Sachverhalt allein, dass die Auftraggeber Versender in einem Versandverfahren waren (s. oben II.2.). Entweder verfügt das BMF also über mehr Informationen als es preisgibt oder die zwingende Gleichsetzung von "Versender" und "Empfänger" mit "liefernden Unternehmern" bzw. "Abnehmern" ist nicht zutreffend.

Auch nicht im Fall A Oy: Für letzteres spricht, dass auch in der Entscheidung vom 4.5.2017 die Leistungen nicht unbedingt an "liefernde Unternehmer" erbracht wurden. Wie oben dargestellt (s. oben III.) sah der EuGH in diesem Fall die Anwendung der Steuerbefreiung auch dann prinzipiell als möglich an, wenn die Leistungen an die Muttergesellschaft, den Inhaber der Waren, den Befrachter, das Beförderungsunternehmen oder den Reeder fakturiert wurden. Es verbleibt damit die Frage, wie das BMF den Fall beurteilen würde, dass der Auftraggeber zwar zu den vorgenannten Personen gehört, nicht aber "liefernder Unternehmer" ist.

[36] Abschn. 4.3.4. Abs. 3 Satz 2 UStAE.

2. Ausführer und Einführer

Fehlende Aussagen: Die Feststellungen des EuGH, dass die Leistungen auch an die "Ausführer" bzw. "Einführer" (bzw. generell an "Verfügungsberechtigte") steuerfrei erbracht werden können, finden beim BMF überhaupt keine Berücksichtigung, was unglücklich ist, weil diese Personen ja genauso wenig wie die "Versender" oder "Empfänger" mit dem "liefernden Unternehmer" oder "Abnehmer" identisch sein müssen.

Ausführer: Auf welchen Ausführerbegriff sich der EuGH bezieht, wenn er vom "Ausführer" spricht, wird in dem Urteil nicht deutlich. Vermutlich meint er den "Ausführer" im zollrechtlichen Sinn (einen "mehrwertsteuerlichen Ausführer" gibt es ja nicht). Nach den Regelungen des Zollrechts kann die Ausfuhranmeldung grundsätzlich von jeder unionsansässigen Person abgegeben werden, die zur Gestellung der Waren und zur Vorlage aller für die Ausfuhr notwendigen Dokumente in der Lage ist. Nach Art. 1 Nr. 19 b) i) VO (EU) 2015/2446 (UZK-DV) ist zollrechtlicher Ausführer grundsätzlich diejenige natürliche oder juristische Person, welche im Zollgebiet der Union ansässig ist und über das Verbringen der Ware die Bestimmungsbefugnis besitzt und diese auch ausübt. Das kann z.B. der liefernde Unternehmer sein, wenn er Waren "frei Haus" an einen Kunden in den USA liefert.

Übertragung: Die Befugnis, über das Verbringen zu bestimmen, kann aber übertragen werden, um den Wirtschaftsbeteiligten eine größere Flexibilität bei der Vereinbarung des zollrechtlichen Ausführers zu bieten. Im Gegensatz zur früheren Regelung ist es nicht mehr erforderlich, dass der Ausführer Vertragspartner des Empfängers im Drittland ist. Das ist z.B. relevant, wenn ein Verkäufer (V) Waren "ab Werk" an einen Unionsfremden (UF) verkauft. UF kann nicht Ausführer sein, kann aber die Bestimmungsbefugnis vertraglich z.B. auf den (unionsansässigen) Spediteur (S) übertragen, der die Waren in seinem Auftrag abholt. Dann ist S (zollrechtlicher) Ausführer. Da S die Leistungen als Spediteur nur besorgt, beauftragt er z.B. einen Zollagenten (Z) mit der Durchführung der Zollformalitäten und einen Frachtführer (F) mit dem Transport. Die Leistungen von Z und F an S (also an den Ausführer) wären nach den Aussagen des EuGH steuerfrei. Nach den Aussagen des BMF wohl nicht, weil S nicht "liefernder Unternehmer" ist.[37]

AWG: Zu anderen Ergebnissen könnte man gelangen, wenn man für den Begriff des Ausführers nicht den zollrechtlichen Begriff, sondern die Definition des § 2 AWG zugrunde legen würde. Nach dieser Regelung ist "Ausführer" immer der der Vertragspartner des Ausfuhrvertrages (vgl. § 2 Abs. 2 AWG).

Einführer: Der Begriff des Einführers ist im Zollrecht nicht geregelt. Für seine Bestimmung wird regelmäßig auf § 2 Abs. 10 AWG abgestellt. In diesem wird geregelt, dass Einführer die (natürliche oder juristisch...

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