LfSt Bayern v. 17.9.2010, S 2121.1.1 - 5/3 St 32
Werden Kinder im Rahmen der Betreuungsform nach § 34 SGB VIII in eine so genannte Fachfamilie oder in eine Familiengruppe mit Betreuer gegeben, so ist dies mit einem ausgelagerten Heimplatz vergleichbar. Die Erziehungsstelle ist eine Alternative zur Gruppenbetreuung für solche Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung , die nicht gruppenfähig sind.
Die potenziell qualifizierten Fachfamilien wenden sich an einen Verein, der als Träger gegenüber den Jugendämtern auftritt und beim Landesjugendamt eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII für die ‚Einrichtung Fachfamilie’ beantragt. Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis ist u.a., dass zumindest eine der betreuenden Personen eine pädagogische Vorbildung aufweisen kann.
Wird der Fachfamilie ein Kind zur Betreuung zugewiesen, so schließt der Trägerverein mit dieser einen Vertrag über die zu erbringenden Leistungen ab. In diesem Vertrag wird vereinbart, dass die Fachfamilie ein erhöhtes Erziehungsgeld, Aufwendungsersatz , einen Beitrag zur Altersvorsorge und zur Unfallversicherung erhält. Die dadurch entstehenden Kosten werden dem Verein durch das zuständige Jugendamt erstattet. Bei der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII ersetzen die gezahlten Pflegegelder die materiellen Aufwendungen und den Erziehungsaufwand der Pflegeeltern. Sie stellen somit steuerfreie Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 11 EStG dar.
Bei Maßnahmen nach § 34 SGB VIII werden im Vergleich zur Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII stark erhöhte Pflegesätze gezahlt. Daneben vereinbaren die Trägervereine mit den Pflegefamilien auch Vergütungen im Urlaubs- und Krankheitsfall sowie Zahlungen zur Alterssicherung. Die auf Grundlage des § 34 SGB VIII gezahlten Gelder haben somit einen eindeutigen Vergütungscharakter. Die Familien erzielen somit steuerpflichtige Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Die gezahlten Entgelte sind keine steuerfreien Beihilfen nach § 3 Nr. 11 EStG und fallen somit nicht unter den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 20.11.2007, BStBl 2007 I S. 824 .
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 wurde mit § 3 Nr. 10 EStG eine neue Steuerbefreiungsvorschrift für das im Rahmen des betreuten Wohnens behinderter Menschen in Gastfamilien gezahlte Betreuungsentgelt geschaffen. Wesentliches Motiv für die Schaffung der Befreiungsvorschrift war es, die sich im Aufbau befindliche Betreuungsform ‚Betreutes Wohnen’ weiter zu stärken.
Im Rahmen des ‚Betreuten Wohnens in Gastfamilien’ werden ein oder sogar mehrere behinderte Menschen quasi als Familienmitglieder aufgenommen und rund um die Uhr persönlich betreut. Eine Berufsausbildung in einem pflegerischen oder sozialen Beruf ist nicht erforderlich. Vermittelt werden in der Regel Menschen, die nicht (mehr) auf die Unterbringung in einer stationären Einrichtung angewiesen sind, im Alltag aber Unterstützung und soziale Anbindung benötigen. Durch diese Form der Betreuung wird eine Heimunterbringung von behinderten Menschen vermieden und sie können in der Geborgenheit einer Familie ein selbstbestimmtes Leben führen. Als alternative Lebensform wird den behinderten Menschen so neue Entwicklungsmöglichkeiten und Lebensqualität geboten. Die so genannten Gastfamilien erhalten in der Regel ein Betreuungsgeld, mit dem vor allem Aufwendungen wie Verpflegung, Mietanteil und sonstige Kosten ausgeglichen werden sollen.
Die Gastfamilien erzielen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach § 3 Nr. 10 EStG sind die Einnahmen einer Gastfamilie für die Aufnahme eines behinderten oder von einer Behinderung bedrohten Menschen bis zur Höhe der Leistungen nach SGB XII steuerfrei. Das gilt unabhängig davon, ob die Geldleistungen vom Sozialleistungsträger oder vom behinderten Menschen selbst an die Gastfamilie gezahlt werden (vgl. auch ESt-Kartei § 18 Abs. 1 Nr. 1 Karte 13.3).
Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher in Fachfamilien
Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob Einnahmen von Fachfamilien für die Pflege, Betreuung, Unterkunft und Verpflegung eines behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindes oder Jugendlichen ebenfalls unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 10 EStG fallen.
Hierzu ist nach schriftlicher Abstimmung zwischen Bund und Ländern folgende Auffassung zu vertreten:
§ 3 Nr. 10 EStG gewährt – im bestimmten Umfang – eine Steuerfreiheit für Einnahmen von Gastfamilien für die Aufnahme eines behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen nach § 2 Abs. 1 SGB IX zur Pflege, Betreuung, Unterkunft und Verpflegung. Mit der Einführung des § 3 Nr. 10 EStG sollte lediglich die Regelungslücke für die steuerliche Behandlung des Betreuungsentgeltes für das betreute Wohnen behinderter (erwachsener) Menschen in Gastfamilien geschlossen werden. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die Einnahmen der Fachfamilie gemäß § 34 SGB VIII für die Pflege, Betreuung, Unterkunft...